Finanzszene im Umbruch:Die Nächste, bitte

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Nach der Hiobsbotschaft des Dax-Konzerns Hypo Real Estate fürchten Anleger weitere Pleiten.

Martin Hesse

An der Börse dauerte es am Montag nicht lange, da hatten Anleger die nächsten deutschen Opfer der Bankenkrise ausgemacht. Binnen Minuten verlor die Commerzbank ein Viertel ihres Wertes. Zeitweise kostete die Aktie nur noch gut zehn Euro, nachdem die Bank noch vor drei Wochen für einen Preis von 17 Euro je Aktie mehr als eine Milliarde Euro frisches Geld für den Kauf der Dresdner Bank eingesammelt hatte. Ähnlich drastisch war der Kurseinbruch bei der im MDax notierten Aareal Bank.

Ob Commerzbank und Aareal Bank zu Recht als schwächste Glieder in der Kette angesehen werden, bezweifeln Experten. Doch beide Häuser haben mit der Hypo Real Estate (HRE) eins gemein: Sie zählen zu den größten deutschen Immobilienfinanzierern. Die Commerzbank hatte 2005 die Eurohypo übernommen und vergangenes Jahr die Essen Hyp - wie die Depfa ein auf Staatsfinanzierung spezialisiertes Institut. Allerdings lagen auch bei HRE und deren Tochter Depfa die Probleme nicht in der Staatsfinanzierung an sich. Vielmehr hatte die Depfa in zu großem Umfang langfristig vergebene Darlehen kurzfristig refinanziert.

Der Effekt des Misstrauens

Deshalb schielen Aktionäre und Gläubiger jetzt darauf, welche Banken sich in der nächsten Zeit an den Kapitalmärkten frisches Geld für ihre Kreditgeschäfte holen müssen. "Wir sind für 2008 voll durchfinanziert", sagt ein Commerzbank-Sprecher. 2009 brauche die Bank 25 Milliarden Euro, die sie je zur Hälfte über Pfandbriefe und Anleihen refinanzieren wolle. Das Staatsfinanzierungsgeschäft der Essen Hyp habe man zudem stark reduziert. Bei Aareal heißt es, die Bank sei kerngesund. Zwar liefen 2008 Kredite über knapp eine Milliarde Euro aus, man müsse aber keine neuen Mittel aufnehmen, da die Bank überfinanziert sei. Auch 2009 werden bei der Aareal Bank mehr Wertpapiere auf der Habenseite fällig als Schulden. Nur in dem Maße, wie die Bank ins Neugeschäft einsteigen will, braucht sie frisches Geld, heißt es.

Deutsche Banken könnten aber auf anderen Wegen in Schwierigkeiten geraten. Zum einen hat die gesamte deutsche Bankenlandschaft der HRE Kredite gewährt, deren Rückzahlung jetzt fraglich ist. Zum anderen kommen auf viele Kreditinstitute wegen des Zusammenbruchs der Investmentbank Lehman Brothers erhebliche Belastungen zu. "Die Zweitrundeneffekte der Lehman-Pleite werden noch unterschätzt", sagt ein Bankenexperte. Kreise dürfte der Kollaps ziehen, weil dadurch die Preise vieler Wertpapiere weiter unter Druck kommen. So müssen Banken in großem Stil den Wert solcher Anleihen niedriger ansetzen, über die sich Banken gegenseitig Geld leihen. Die Kurse dieser Papiere sind zuletzt deutlich gefallen, weil Banken einander misstrauen und nur zu weit höheren Zinsen neues Geld leihen.

Die Reserven der Sparkassen

"Vor allem bei einigen Landesbanken stellt sich die Frage, wie viele Abschreibungen sie noch verkraften können", sagt ein Bankenexperte. Als besonders belastet gilt in Frankfurter Finanzkreisen die BayernLB, aber auch auf die Landesbank Baden-Württemberg und die HSH Nordbank dürften wegen Lehman weitere Wertberichtigungen zukommen. Doch nicht für alle Banken sehen Beobachter schwarz. "Es gibt derzeit vor allem vier Stabilitätsanker im deutschen Bankensystem", sagt der Bankenexperte Thomas von Lüpke. "Den Genossenschaftssektor, die Hypovereinsbank, hinter der Unicredit steht, die Deutsche Bank, die über ein sehr gutes Risikomanagement verfüge, sowie die Sparkassen." Die Sparkassen hätten hohe stille Reserven, allerdings würden sie durch die Schwäche einiger Landesbanken stark belastet.

© SZ vom 30.09.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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