Finanzkrise:China macht Hoffnung

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Die chinesische Regierung betet seit einiger Zeit die eigene Wirtschaft gesund. Es gibt erste Anzeichen, dass sich dies bewahrheiten könnte.

Carsten Matthäus

Der chinesische Ministerpräsident verbreitet dieser Tage gerne Zuversicht. "In den letzten Tagen des Dezembers ging es allmählich bergauf. Die Zahl der Güter, die sich im Hafen aufgetürmt hatten, verringerten sich und die Preise für Industrieprodukte fingen an zu steigen", sagte Wen Jiabao bei einem Geschäftsessen in London Anfang Februar. Zuvor hatte Wen in Bezug auf Chinas Wirtschaft bereits vom "Licht am Ende des Tunnels" gesprochen.

Gute Stimmung in Shanghai: Seit Anfang des Jahres steigen die Kurse deutlich. (Foto: Foto: AP)

Wenn ein führender Politiker der Volksrepublik China über die eigene Wirtschaft spricht, ist meist Vorsicht geboten. Die Wirtschaftszahlen des bevölkerungsreichsten Landes der Erde gelten, vorsichtig gesagt, als interpretationsbedürftig. Nicht selten richten sich die Statistiker nach den Plan-Vorgaben der Kommunistischen Partei. Aber auch einfache Arithmetik lässt die Wachstumszahlen des Landes besser aussehen als sie sind.

Ein Beispiel ist das Wirtschaftswachstum von 6,8 Prozent, das die chinesischen Behörden für das Schlussquartal 2008 ausgewiesen haben. Klingt gut, ist es aber nicht. Diese Zahl wird nämlich in China im Vergleich zum Vorjahresquartal - also dem letzten Quartal 2007 - berechnet. In den Industrieländern werden meist die Wachstumswerte mit dem vorausgehenden Quartal verglichen - also dem dritten Quartal 2008. Würde man dies für China berechnen, käme das Land nach Einschätzung von Ting Lu, Analyst bei Merrill Lynch, für die letzten drei Monate des vergangenen Jahres auf ein Wachstum von "nahe Null". Dazu passt auch die Meldung der chinesischen Regierung, dass rund 20 Millionen Wanderarbeiter wegen der Krise ihre Arbeit verloren hätten.

Rechenspiele

Dennoch gibt es erste Signale, dass sich die chinesische Wirtschaft allmählich stabilisiert. Seit Jahresanfang hat der chinesische Leitindex Shanghai Composite um rund 20 Prozent zugelegt, zehn Prozent allein den vergangenen fünf Handelstagen. Der japanische Nikkei-Index ist dagegen im Einklang mit den amerikanischen und europäischen Börsen von einer derartigen Erholung weit entfernt. Ein Grund für die steigenden Kurse in Shanghai ist die Vermutung, dass das Konjunkturpaket in China, in dem rund vier Billionen Yuan (448 Millarden Euro) verteilt werden, zu greifen beginnt.

So geben die staatlichen chinesischen Banken an, sie hätte allein im Januar die Rekordsumme von 1,2 Billionen Yuan (134 Milliarden Euro) an neuen Krediten ausgegeben. Dies ist nicht unwahrscheinlich, da die Regierung die staatseigenen Finanzinstitute stark unter Druck setzt, die Kredite schnell und unbürokratisch zu bewilligen.

Interessant ist besonders die Meldung der Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), die von einem starken Anstieg der Hypothekenkredite (20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und der Kreditkartenausgaben (27 Prozent) ihrer Kunden spricht. Würden die Chinesen aufgrund des Konjunkturpakets tatsächlich vermehrt Häuser kaufen und mehr konsumieren, wäre dies in China tatsächlich ein gutes Zeichen. Chinesen gelten als Spar-Weltmeister, im Schnitt wird offziellen Angaben zufolge jeder zweite Yuan auf die hohe Kante gelegt. Deshalb wurde im Vorfeld des Konjunkturpakets die Sorge laut, die chinesischen Konsumenten würden staatliche Geldspritzen nicht ausgeben, sondern direkt wieder zur Bank tragen.

Autos: China angeblich vor USA

Auch die Autoverkäufe entwickeln sich laut offiziellen Quellen in China besser als andernorts. Nach Angaben des Verbandes der chinesischen Automobilhersteller hat China im Januar sogar die USA als weltgrößter Automarkt abgelöst. In China seien im ersten Monat des Jahres 735.000 Fahrzeuge verkauft worden, in den USA nur 657.000. Während der US-Markt um 37 Prozent einbrach, sei der chinesische Automarkt nur um 14 Prozent geschrumpft.

Ein weiteres positives Zeichen ist der Index der Einkaufsmanager - ein Stimmungsbarometer, das in vielen Ländern der Welt gemessen wird. Hierbei geben die Einkaufsmanager großer Firmen an, wie sich ihrer Meinung nach Kerngrößen wie Auftragslage, Einkaufspreise und Beschäftigung entwickeln werden. In der Regel ist ein Indexwert unter 50 ein Zeichen für eine verschlechterte Geschäftslage - und das ist auch in China der Fall. Dennoch ist China die einzige große Volkswirtschaft, in der sich dieser Frühindikator verbessert hat - von 41,2 im Dezember auf 45,3 im Januar. Zum Vergleich: Der Einkaufsmanagerindex des deutschen Verbandes BME sank von Dezember bis Januar von 32,7 auf 32. In den USA ist dieser Indikator (ermittelt vom Verband ISM in Chicago) im Januar von 35,1 auf 33,3 gefallen.

"Mindestens drei Jahre"

Bankanalysten sind bei Prognosen zu Chinas Wirtschaft geteilter Meinung. Thomas Deng, Chefvolkswirt von Goldman Sachs in Hongkong, erwartet ein schnelles Ende der Kurserholung in Shanghai. "Chinas Wirtschaft wird mindestens drei Jahre brauchen, um sich dem Abwärtssog zu entziehen", sagte er kürzlich. Li Cheng, Anlagestratege der UBS in Shanghai, hält die Erholung dagegen für nachhaltig. Seiner Meinung nach werden gute Unternehmensergebnisse und eine erstarkende Kreditvergabe der Banken den Aktienkursen weiter Auftrieb verleihen.

Dass die Geschichten vom Licht am Ende des chinesischen Tunnels noch alles andere als sicher sind, zeigt eine Recherche des Economist. Das britische Wirtschaftsmagazin ist in Peking einer Meldung der Regierung nachgegegangen. Darin hatte es geheißen, nach dem chinesischen Neujahrsfest seien in der Hauptstadt 69 Tonnen an Feuerwerksabfällen eingesammelt worden - 14 Tonnen mehr als im vergangenen Jahr. Das Staatsorgan Peoples Daily feierte dies bereits als Zeichen der Zuversicht. Staatlich autorisierte Verkäufer meldeten den Economist-Reportern dagegen Umsatzeinbrüche von 20 bis 40 Prozent. Eine mögliche Erklärung lieferten die Händler ebenfalls: Die sparsame Pekinger Bevölkerung habe in der Nachbarprovinz eingekauft. Dort seien die Böller billiger - und lauter.

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