Finanzbranche: Risikotest:Europas Banken vor enormen Verlusten

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Die Finanzinstitute in Europa müssen einer Studie zufolge bis Ende 2010 weitere 330 Milliarden Euro an Vermögenswerten abschreiben.

Cerstin Gammelin

Die 22 größten Banken in der Europäischen Union haben trotz weiterer Milliardenabschreibungen die Talsohle der weltweiten Finanzkrise offenbar durchschritten. Das ist das Ergebnis eines großangelegten Risikotests des Europäischen Ausschusses für Bankenaufsicht in London vom Sommer, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Europäer sind uneins, wann die staatlichen Geldleistungen für notleidende Banken und Unternehmen endgültig auslaufen sollen. (Foto: Foto: dpa)

Untersucht wurden die größten grenzüberschreitend tätigen Finanzinstitute, die zusammen rund 60 Prozent der EU-Bankenvermögenswerte repräsentieren.

"Selbst im schlimmsten angenommenen Fall verfügt jede der Banken noch über eine Eigenkapitalquote von sechs Prozent", sagte ein hoher EU-Diplomat in Göteborg. Als Mindestquote für die Absicherung der Geschäftsrisiken sind vier Prozent Eigenkapital gefordert. Unterschreitet eine Bank diese Quote, muss sie laut internationaler Regeln von der Aufsichtsbehörde geschlossen werden.

"Hohe Widerstandsfähigkeit"

EU-Diplomaten äußerten sich zufrieden über die "hohe Widerstandsfähigkeit" der Finanzinstitute. Details zu einzelnen Banken wurden nicht genannt. Bereits zu Beginn des Risikotests sei vereinbart worden, dass keine einzelnen Ergebnisse veröffentlicht werden sollten.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte gewarnt, einige Banken könnten Wettbewerbsnachteile erleiden. Die Autoren betonen, der Risikotest habe nicht das Ziel gehabt, "den potentiellen Finanzbedarf der Banken insgesamt oder einzeln abzuschätzen". Ähnliche Tests waren auch in den USA durchgeführt worden.

Uneins sind sich die Europäer, wann die staatlichen Geldleistungen für notleidende Banken und Unternehmen endgültig auslaufen sollen. "Wir stimmen überein, dass wir die derzeitige Ausgabenpolitik ändern müssen", versuchte Anders Borg, amtierender EU-Ratspräsident und schwedischer Finanzminister, die unterschiedlichen Positionen der europäischen Finanzpolitiker in Göteborg zu vereinen.

Beinahe alle EU-Mitgliedsstaaten hatten in den vergangenen zwölf Monaten milliardenschwere Hilfspakete aufgelegt. Die Finanzhilfen summierten sich auf insgesamt fünf Prozent der Wirtschaftsleistung in Europa. Das hat zu einem dramatischen Anstieg der Staatsschulden in der Union geführt.

Während die Europäische Zentralbank (EZB) nun beim Schuldenabbau aufs Tempo drückt, wollen sich Europäische Kommission und Finanzminister mehr Zeit lassen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet forderte in Göteborg, "spätestens 2001" müssten die Konjunkturhilfen auslaufen.

Er warnte davor, den Zeitpunkt des Ausstiegs zu verzögern. "Unser oberstes Ziel ist es, für Preisstabilität zu sorgen", sagte Trichet. Stabile Preise und eine geringe Inflation seien jedoch nur zu erreichen, "wenn unmittelbar mit Beginn der wirtschaftlichen Erholung die staatlichen Finanzhilfen auslaufen".

Der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, wollte sich in Göteborg nicht auf das Jahr 2011 festlegen. "Wir müssen jetzt unsere Strategien beschließen", erklärte der Luxemburger Premier. Ob diese aber bereits im übernächsten Jahr umgesetzt werden könne, hänge von einigen Bedingungen ab. Das derzeit aufgrund der Konjunkturmaßnahmen zu verzeichnende "zarte Wachstum" dürfe nicht gefährdet werden.

"Es gibt keine Vorab-Koordination"

Juncker will zunächst die Prognose zum Wirtschaftswachstum 20011 abwarten, die die Europäische Kommission Anfang November für die Eurozone und die Europäische Union abgeben wird. "Erst wenn sichtbar ist, dass das Wachstum dauerhaft zurückkehrt, können die staatlichen Hilfen zurückgefahren werden", sagte Juncker. In diesem Jahr wächst die europäische Wirtschaft rund ein Prozent.

Vor der Krise hatte die Europäische Kommission noch mit zwei Prozent Wachstum kalkuliert. EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquin Almunia will ebenfalls abwarten. "Erst wenn wir sehen, dass die Wirtschaft aufgrund steigender Nachfrage im In- und Ausland wächst, können wir die Konjunkturhilfen stoppen", sagte Almunia. Uneins sind sich die EU-Finanzminister offensichtlich auch, wie weit die Europäische Kommission die auslaufenden Konjunkturhilfen überhaupt koordinieren darf.

"Es liegt in der Verantwortung jeder einzelnen Regierung, über ihre Ausgabenpolitik zu entscheiden", sagte der amtierende EU-Ratspräsident Borg. EZB-Präsident Trichet stellte klar, Regierungen und Notenbank würden sich nicht absprechen.

"Es gibt keine Vorab-Koordination", sagte der Franzose. Dies würde die politische Unabhängigkeit der EZB beeinträchtigen. Almunia zufolge arbeiten die Euro-Länder in ihrer Haushaltspolitik lediglich zusammen. "Damit helfen wir der Geldpolitik, die besten Entscheidungen zu treffen", sagte der EU-Kommissar.

© SZ vom 02.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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