Fed-Chef in Berlin:Bernanke und die Kunst des Formulierens

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Die Finanzwelt wartet gespannt, ob die amerikanische Notenbank die Zinsen senkt - und verfolgt deshalb mit großem Interesse den Besuch des Notenbank-Chefs Bernanke in Berlin.

Wo immer der Ökonom mit dem lichten Haar und dem gepflegten grauen Vollbart auftritt, hängen Analysten, Händler und Banker an seinen Lippen. Eine Woche vor der mit Spannung erwarteten Zinsentscheidung der amerikanischen Notenbank (Fed) wird jedes Wort von Ben Bernanke auf die Goldwaage gelegt. Für ein paar Stunden schaute deshalb die Finanzwelt gebannt auf die Hauptstadt.

Mit Spannung erwartet: US-Notenbank-Chef Ben Bernanke wird sich in Berlin zur US-Hypothekenkrise erklären. (Foto: Foto: AP)

Zunächst machte Bernanke Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seine Aufwartung. Der US-Notenbankchef Ben Bernanke und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sehen die "Notwendigkeit erhöhter Transparenz auf den Finanzmärkten". Das sagte ein Regierungssprecher in Berlin nach dem Kurztreffen von Merkel und Bernanke im Kanzleramt. Bei dem etwa 45-minütigen Gespräch sei es auch um die Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen am US-Markt für Hypotheken gegangen. Beide hätten sich ferner zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen ausgetauscht. Nähere Angaben wurden allerdings nicht gemacht.

Auch In seiner von den Finanzmärkten mit Spannung erwarteten Rede bei einer Veranstaltung der Deutschen Bundesbank ging Bernanke nicht auf die Krise auf dem US-Hypothekenmarkt ein. Er äußert sich auch nicht zu den Aussichten der US-Wirtschaft.

Bereits am Montag hatte Merkel mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy über die Krise gesprochen. Beide hatten danach wieder einmal die bislang völlig unkontrollierten Hedge-Fonds ins Visier genommen.

Offenbar Milliardenrisiken versteckt

Gleichzeitig wurde erörtert, auch die Ratingagenturen schärfer unter die Lupe zu nehmen. Den Agenturen, die Noten für die Kreditwürdigkeit vergeben, wird vorgeworfen, zu positive Ratings für mit Hypotheken besicherte Anleihen verteilt und damit die Verwerfungen mit ausgelöst haben. Im Blickpunkt steht auch das Agieren der Banken. Auf dem lange Zeit lukrativen US-Immobilienmarkt verkauften die Institute Kredite umgehend weiter und interessierten sich nur mäßig, ob die Kunden diese jemals zurückzahlen konnten.

Die Kontrolleure der Bankenaufsicht konnten die Schieflagen einzelner Institute offenbar auch deshalb nicht entdecken, weil die Banken Milliardenrisiken außerhalb der Bilanz in Zweckgesellschaften versteckten. Nach Angaben aus Bankenkreisen werden in den kommenden zehn Tagen rund 20 Prozent aller kurzfristigen von europäischen Instituten begebenen Kredite fällig. Neue Bilanzlöcher drohen.

Bloß keine falschen Zeichen geben

Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Fed hatten zuletzt den Banken mit milliardenschweren Finanzspritzen geholfen, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Die EZB hatte wegen der Finanzkrise die Zinsen nicht wie erwartet erhöht, sondern den Leitzins unverändert bei 4,00 Prozent belassen. Mitte des Monats entscheidet die amerikanische Fed dann über ihre weitere Zinspolitik.

Bernanke, Nachfolger des legendären Alan Greenspan, steckt dabei in einem Dilemma. Marktteilnehmer fordern angesichts der Risiken für die US-Konjunktur und die Weltwirtschaft eine kräftige Zinssenkung. Der Fed-Chef zögert aber wegen der Inflationsgefahren im eigenen Land. Geht Bernanke in die Vollen und reduziert den Zinssatz nicht nur um 0,25, sondern um 0,5 Prozentpunkte, riskiert er möglicherweise noch mehr Verunsicherung. Es könnte der Eindruck entstehen, die Notenbanker rechneten doch mit einem drastischen Konjunktureinbruch.

Eine so starke Zinssenkung gab es zuletzt im Januar 2001. Dies verhinderte damals nicht, dass die Märkte anschließend in die Knie gingen.

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