Faule Hypothekenkredite:Wo sind all die Nieten hin?

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Schnell weg damit: Die Banken wollen ihre faulen Hypothekenkredite so rasch wie möglich loswerden. Finanzinvestoren greifen zu - doch die Hauptlast bleibt bei den Banken.

Martin Hesse

Verbraucher kennen für Dinge, denen sie nur noch wenig Wert beimessen, drei Wege: Den Keller, die Mülltonne oder den Flohmarkt beziehungsweise Ebay. Ähnlich ist es bei den Banken in der Kreditkrise. Sie haben zu viele Wertpapiere in den Bilanzen, sprich Kellern, die nicht mehr das wert sind, was sie einmal waren. Sie können die Papiere behalten und hoffen, dass der Wert des einen oder anderen wieder steigt. Oder sie suchen Investoren, die ihnen die Problemkredite mit einem Abschlag abnehmen. Manche Kredite aber müssen sie auf null abschreiben, also wegwerfen, weil sie unwiederbringlich ausgefallen sind.

Die Banken wollen ihre faulen Hypothekenkredite schnell loswerden - Finanzinvestoren schlagen zu. (Foto: Foto: dpa)

"Ein großer Teil der berichteten Abschreibungen sind schon jetzt echte Kreditausfälle", sagt Philip Gisdakis, Kreditanalyst bei der italienischen Großbank Unicredit. Er schätzt, dass schon mindestens ein dreistelliger Milliarden-Dollar-Betrag ausgefallen ist. Insgesamt summieren sich die Abschreibungen der Banken wegen der Immobilienkrise auf 500 bis 600 Milliarden Dollar.

Die Verluste haben viele Banken erheblich geschwächt, deshalb versuchen sie jetzt, ihre Keller zu räumen. "Einige Banken haben keine andere Wahl, als Kreditbestände zu verkaufen", sagt Gisdakis. Sie hätten im Winter frisches Kapital geholt, meist von asiatischen Staatsfonds. "Mittlerweile aber hat sich herausgestellt, dass dieses Geld nicht reicht."

Unter Verkaufsdruck

Neue Kapitalerhöhungen seien aber äußerst schwierig, zumal sich die Kapitalgeber der ersten Runde oft das Recht gesichert hätten, an frischem Geld beteiligt zu werden. So floss ein großer Teil der jüngsten Kapitalerhöhung bei Merrill Lynch an Temasek, den Staatsfonds aus Singapur, der im Winter bei der Investmentbank eingestiegen war.

Neben Merrill gelten Citigroup, Lehman Brothers sowie die in Deutschland weniger bekannten Institute Wachovia und Washington Mutual als Banken, die besonders unter Verkaufsdruck stehen. Allein Lehman soll derzeit den Verkauf von Gewerbeimmobilien und -krediten im Volumen von 40 Milliarden Dollar prüfen.

Aber auch Banken, die noch relativ gut durch die Krise gekommen sind, verringern ihre Kreditbestände. Die Deutsche Bank etwa berichtete nach dem zweiten Quartal, sie habe Kredite für amerikanische Häuser, Gewerbeimmobilien und Firmenübernahmen im Wert von fast zehn Milliarden Euro verkauft. "Es gibt nicht genug Käufer für all diese Kredite", glaubt Gisdakis. Er schätzt, dass es derzeit maximal 100 Milliarden Dollar gibt, die bei spezialisierten Investoren für den Kauf von Krediten bereitliegen. "Das Angebot dürfte aber um ein Vielfaches höher liegen."

Kredite für Kredite

Als Käufer notleidender Immobilienkredite treten fast ausschließlich spezialisierte Finanzinvestoren wie Blackstone, KKR, Lone Star oder TPG auf, sogenannte Distressed-Debt-Investoren. Banken nehmen solche Papiere nicht in die Bilanz. "Man packt ja auch nicht radioaktiven Abfall auf eine normale Müllkippe", sagt Gisdakis.

Doch auch die Investitionsbereitschaft der Finanzinvestoren ist begrenzt. Erstens haben sie zum Teil selbst Altlasten aus früheren Investitionen in Problemkredite und stoßen selbst auch Papiere ab. Zweitens sind die Käufer in einer starken Verhandlungsposition und können getrost warten, bis Krisenbanken ihnen die Papiere noch billiger anbieten. Merrill Lynch erhielt für ein Portfolio mit einem Nennwert von 30 Milliarden Dollar nur ein Fünftel des Preises.

Außerdem werden die Banken ihre Kreditrisiken durch die meisten Verkäufe nicht wirklich los: Sie geben den Finanzinvestoren meist neue Kredite, damit diese ihnen die alten abnehmen. Unter dem Strich tragen die Investoren somit nur den ersten Teil möglicher Verluste. Fallen sie höher aus, ist wieder die Bank im Feuer.

© SZ vom 20.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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