Experten-Tipp (I):Mieten statt kaufen

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Die Immobilienpreise sind im Keller, die Zinsen ebenfalls. Dennoch sagt Finanzexpertin Christina Wend, der Kauf eines Eigenheims lohne sich nur in wenigen Fällen.

Interview: Martin Diekmann

Christina Wend, Geschäftsführerin von Moneta Finanzstrategien, zum Thema Immobilienerwerb in Zeiten niedriger Zinsen und moderater Preise.

Christina Wend (Foto: N/A)

SZ: Frau Wend, die Hauspreise sind im Keller, die Zinsen ebenfalls. Dennoch sagen Sie, der Kauf eines Eigenheims lohne nur in wenigen Fällen.

Wend: Das stimmt. Zwar hört sich ein oft gebrauchter Slogan wie "Kaufen ist billiger als Mieten" gut an, doch trifft das nicht in allen Fällen zu. Berücksichtigt man alle anfallenden Kosten und dazu die entgangenen Gewinne, ist Mieten vielfach die preiswertere Alternative.

SZ: Haben Sie ein Beispiel parat?

Wend: Beliebt sind Rechnungen wie diese: Bei einer Miete von 650 Euro pro Monat und einer jährlichen Mietsteigerung von zwei Prozent zahlt man im Laufe von 30 Jahren mehr als 300.000 Euro an den Vermieter. Mit dem Geld kann man sich auch selbst etwas kaufen.

SZ: Das ist prinzipiell ja nicht falsch.

Wend: Nein, aber irreführend. Berechnet man die Kosten für die Finanzierung, sieht dies für das oben genannte Beispiel wie folgt aus: Der Kaufpreis für die Immobilie beträgt 300.000 Euro, dazu kommen Nebenkosten in Höhe von 25.500 Euro, wenn man sie mit 8,5 Prozent des Kaufpreises ansetzt. Einen Eigenkapitaleinsatz von 90.000 Euro vorausgesetzt, würde also ein Finanzierungsbedarf von 235.000 Euro entstehen. Die monatliche Rate müsste dann 979 Euro betragen, wenn der Darlehenszins für die ersten zehn Jahre bei vier Prozent liegt und eine Tilgung von einem Prozent unterstellt wird.

Geht man von einer Zinssteigerung auf nur 6 Prozent nach 10 Jahren aus, steigt die monatliche Rate auf 1370 Euro. Daraus entsteht ein Gesamtaufwand 495.000 Euro.

SZ: Ein Kauf lohnt also nur bei einer höheren Eigenkapitalquote?

Wend: Auch dann nicht unbedingt. Denn zu der oben beschriebenen Rechnung kommen auch noch die so genannten Opportunitätskosten. Geht man davon aus, dass die Differenz zwischen Miete und Darlehensrate sowie das Eigenkapital zu sechs Prozent angelegt werden könnte, käme man auf ein "entgangenes Vermögen" von 960.694 Euro, selbst wenn man einen Ausgabeaufschlag von fünf Prozent, etwa für den Kauf von Fonds, einrechnet. Die Gesamtkosten für ein Eigenheim sehen die 1,4-Millionen Euro-Grenze.

SZ: Wenn man so rechnet, ist das Eigenheim für niemanden mehr lukrativ.

Wend: Möglich, aber natürlich kommt es immer auf den Einzelfall an, eine pauschale Aussage ist problematisch. Natürlich steht und fällt das Ganze mit dem zukünftigen Zinsverlauf, dem Darlehensaufbau sowie den individuellen Umständen des Finanzierenden.

SZ: Wer allerdings die ganze Zeit Miete zahlt, hat im Alter kein Eigentum.

Wend: Stimmt, sieht man sich allerdings die oben beschriebenen Zahlen an, so könnte man etwa stattdessen eine zusätzliche Altersvorsorge von etwa 960.000 Euro aufbauen. Wandelt man diesen Betrag in eine lebenslange Rente um, ergäbe sich daraus eine monatliche Summe von etwa 4700 Euro. Davon kann man schon die Miete zahlen.

SZ: Wohnen Sie selbst im Eigenheim?

Wend: Nein, für mich ist das aus den genannten Gründen nicht interessant. Trotzdem ist es für viele natürlich eine erstrebenswerte Sache.

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