Expansionsdrang:Bundesregierung fürchtet Gazprom-Pläne

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Pläne des Gazprom-Konzerns, im großen Stil auf dem deutschen Gasmarkt aufzutreten, sorgen bei der Bundesregierung für Aufregung. Ein Einstieg beim RWE-Konzern gilt politisch als unerwünscht.

Hans-Willy Bein und Wieland Kramer

Die russische Gazprom ist mit einer Förderung von annähernd 550 Milliarden Kubikmetern der größte Erdgaskonzern der Welt und der wichtigste deutsche Gas-Lieferant. Die Russen sind Junior-Partner bei der BASF-Tochter Wintershall, die ihnen eine Beteiligung von 49 Prozent an der Vertriebsgesellschaft Wingas zugestanden hat. Außer bei Wingas ist Gazprom bisher in Deutschland mit nennenswerten Beteiligungen nicht zum Zuge gekommen.

Die Bundesregierung steht den Gazprom-Plänen skeptisch gegenüber. (Foto: Foto: AFP)

"Deutschland ist für uns einer der wichtigsten Märkte in Europa", sagt Gazprom-Chef Alexej Miller. Der Konzern mit den weltweit größten Gasreserven will mehr sein als nur Lieferant des begehrten Brennstoffs.

Bisher erhält Gazprom für die Lieferung frei Grenze etwa 15 Cent je Kubikmeter. Durch Einspeicherung, Transport und eine Beteiligung am Endkundengeschäft ließe sich der Erlös mehr als verdoppeln - für den russischen Konzern, der gut ein Drittel des deutschen Erdgasbedarfs deckt, ein Milliardengeschäft.

Nachdem Eon den Gazprom-Wunsch nach Beteiligung am deutschen Marktführer Ruhrgas nach zähen Verhandlungen abwehren konnte, mehren sich Spekulationen über ein Interesse der Russen an RWE oder anderen größeren Regionalversorgern.

Schalke-Sponsoring als Warnsignal

Aufgeschreckt hat Energiewirtschaft und Politik der Auftritt von Gazprom als künftiger Sponsor des Fußball-Bundesligisten Schalke 04, der die Russen je nach Erfolg der Elf bis zu 125 Millionen Euro kosten kann. Eine solche Investition ergibt nur Sinn zur Imagewerbung beim Endkunden. Die Branche geht deswegen davon aus, dass ein Einstieg der Russen bei einem deutschen Versorger nicht lange auf sich warten lässt.

So wird Gazprom hinter dem seit Wochen beobachteten Aufkauf von RWE-Aktien vermutet. Dass die Russen nach dem einzigen deutschen Energiekonzern mit eigenen Rohstoffquellen greifen könnten, wird in Berlin nicht gerne gesehen.

Das hat das Bundeskanzleramt dem Unternehmen nach Informationen aus dem Konzern deutlich zu verstehen gegeben. Generell spürt die Bundesregierung den Druck der EU-Kommission, während ihrer bevorstehenden Ratspräsidentschaft den russischen Expansionsdrang zu bremsen. Nur wenn der Zugang zu mehr russischen Gasfeldern gewährt und Transportleitungen großzügiger geöffnet werden, soll Gazprom im Gegenzug stärker auf dem europäischen Markt vordringen können.

Auch Umweltminister Sigmar Gabriel versucht, RWE auf Kurs zu halten. Wenige Tage vor Verabschiedung des neuen Emissionshandelsgesetzes für die Jahre 2008 bis 2012 ließ er vorsorglich eine Verschärfung für den Neubau von Braunkohlekraftwerken aufnehmen, die für RWE teuer werden könnte. Der Konzern macht zwei Drittel der in Deutschland geförderten Braunkohle zu Strom und plant das erste CO2-freie Großkraftwerk.

Doch RWE-Chef Harry Roels braucht nach dem Verkauf seiner Wassersparte dringend eine Erfolgsstory. Und das Gasgeschäft läuft schlecht. Das gilt konzernintern als Grund dafür, wieder eine Gas-Sparte einzurichten, nachdem das Geschäft erst vor kurzem in die Vertriebstochter RWE Energy integriert worden war.

RWE kauft sein Gas überwiegend beim Konkurrenten Eon ein. Die Geschäftsbeziehungen haben sich in Zeiten knappen Gases verschlechtert. Ohnehin lassen die Vereinbarungen kaum Spielraum für aggressiven Wettbewerb oder Expansion.

Attraktive RWE

RWE hat Gazprom einiges zu bieten. Für die Vertriebstochter RWE Westfalen-Weser-Ems wird auf Sicht ein neuer Großaktionär gesucht. Aus alter Zeit halten die Kommunen einen Anteil von 20 Prozent an der Gesellschaft, die 1,5 Millionen Strom- und Gaskunden in der Region versorgt.

Der kommunale Anteil wird nach den im Zuge des Konzernumbaus geschlossenen Verträgen spätestens 2008 frei, und RWE hat hierfür ein Vorkaufsrecht. Das will der Konzern auch nutzen. Was mit den Aktien geschehe, sei völlig offen, heißt es bei RWE.

Gazprom konzentriert sich nach Einschätzung der Energiebranche mit seinen Bemühungen nicht nur auf den RWE-Konzern. Außer großen Stadtwerken wird auch der norddeutsche Versorger EWE als möglicher Partner gesehen.

Firmenchef Werner Brinker bestätigte der SZ Interesse der Russen. Da die hinter EWE stehenden Kommunen und Landkreise ihre Aktien in einem Zweckverband gebündelt haben, ist ein Verkauf aber nicht ohne weiteres möglich.

© SZ vom 07.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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