Entdeckung des Mittelstandes:Bank sucht Familie

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Der Mittelstand findet bei Geldhäusern ungewohnt große Aufmerksamkeit - weil er das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bildet und international wieder Erfolg hat.

Martin Hesse

Würde man als Bank in Deutschland darauf verzichten, Geschäfte mit dem Mittelstand zu machen, wäre das in etwa so, als weigerten sich Brauereien, ihre Produkte an Biertrinker zu verkaufen.

Mehr als 95 Prozent der Wirtschaftsleistung in Deutschland werden von Mittelständlern erbracht, vom Freiberufler bis zum börsennotierten Unternehmen. Dennoch preisen die Banken seit ein, zwei Jahren ihr Mittelstandsgeschäft an, als hätten sie soeben den Stein der Weisen entdeckt.

Die Commerzbank verfiel beispielsweise auf den Clou, ihr Firmenkundengeschäft mit dem werbewirksamen Etikett "Mittelstandsbank" zu versehen - obwohl sie bei weitem nicht die Nummer eins in diesem Geschäft ist.

Bei der Nachfolge helfen

Die Dresdner Bank sinnt derzeit ebenfalls darüber nach, wie sie diesen Bereich als Marke besser sichtbar machen kann. Und auch die Deutsche Bank positioniert sich neuerdings wieder gezielt als ,"Partner des Mittelstands".

An diesem Mittwoch inszenieren Bankchef Josef Ackermann und Jürgen Fitschen, der für das Deutschlandgeschäft zuständig ist, ihre Mittelstandsoffensive auf einem Unternehmerkongress in Berlin. Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken wiederum werben mit ihrer Nähe zum Kunden, um die Flucht desselben zu stoppen.

Es ist noch nicht lange her, da fühlten sich Mittelständler alles andere als umworben. "Vor drei bis vier Jahren hatten wir es sehr viel schwerer mit den Banken", sagt Hans-Joachim Reinhardt, Geschäftsführer der IHK Frankfurt. Scheiterten laut Mittelstandspanel der KfW 2004 noch 60 Prozent der Mittelständler zumindest einmal bei Verhandlungen über einen Investitionskredit, waren es 2006 nur noch halb so viele.

Vor allem nach 2001 hatten sich Banken aus mehreren Gründen vom Mittelstand abgewandt: Sie hatten im Wiedervereinigungsboom Kredite zu lax vergeben, im Abschwung lasteten uneinbringbare Forderungen schwer auf den Bilanzen. Wegen neuer Richtlinien, die unter dem Stichwort Basel II gebündelt sind, mussten Kreditinstitute für riskante Ausleihungen zudem mehr Kapital bereithalten. Mit neuen Krediten hielten sich Banken auch deshalb zurück, weil der deutsche Mittelstand im internationalen Vergleich eine dünne Kapitaldecke hat.

In den vergangenen zehn Jahren ist nun die Eigenkapitalquote der Mittelständler laut Bundesbank von sechs auf 15 Prozent gestiegen. Vor allem aber wuchs die deutsche Wirtschaft 2006 um 2,9 Prozent, nur etwas schwächer wird die Zahl in diesem Jahr ausfallen. Und so wie Deutschland international plötzlich wieder als konkurrenzfähig gilt, ist auch der Mittelstand wieder en vogue.

Fast ein Million Kunden aus dem Mittelstand

"Kein Mittelstand der Welt ist so gut auf die Globalisierung eingestellt wie der deutsche", sagt Fitschen. Bei dieser Internationalisierung wolle die Deutsche Bank den Mittelstand begleiten. Das hatte auch der künftige Commerzbank-Chef Martin Blessing im Sinn, als er im Oktober eine Studie darüber präsentierte, wie viel Potential für Firmen in der Internationalisierung liegt.

Die Deutsche Bank habe in diesem Jahr 35.000 neue Kunden im Mittelstand gewonnen, komme jetzt auf 900.000, wolle bis 2010 die Millionenmarke knacken und sei mit 26 Prozent Marktanteil Nummer eins in dem Segment, sagte Fitschen. Solche Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, weil sie nichts darüber sagen, wie viel Geschäft eine Bank mit jedem dieser Kunden betreibt.

Meist handelt es sich bei Neukunden um Zweit- oder Drittbankbeziehungen. Fitschen räumte auch ein, dass neues Geschäft ja nicht darin bestehen müsse, Kredite zu Lasten der eigenen Bilanz zu vergeben. Die Deutsche Bank bemüht sich vielmehr wie ihre Wettbewerber, neue Kapitalmarktprodukte an ihre Kunden zu bringen. In die Kritik geriet die Bank kürzlich, weil sie Kunden komplizierte Produkte zur Absicherung gegen Zinsrisiken verkaufte, die einigen Kommunen und Firmenkunden dann aber erhebliche Verluste einbrachten. "Wir haben es den Kunden ja nicht aufgezwungen", sagt Fitschen dazu. Auch andere Banken böten derartige Instrumente an.

Und bei einem weiteren Trend-Thema wollen die Deutsche und andere Banken den Mittelstand begleiten: bei der Regelung der Nachfolge in Familienunternehmen. Fitschen setzt dabei vor allem darauf, diese Firmen mit ausländischen Investoren zusammenzubringen - Beteiligungsfirmen, aber auch Staatsfonds. "Es geht nicht um feindliche Übernahmen oder gar einen Ausverkauf deutscher Firmen", sagte er.

Er wandte sich gegen Überlegungen, deutsche Firmen vor Übernahmen ausländischer Investoren schützen zu wollen. Der Kreis schützenswerter Unternehmen müsse angesichts der Bedeutung der Finanzgeber etwa aus Indien oder dem Nahen Osten sehr klein gehalten werden.

Der Wettlauf der Banken um deutsche Firmenkunden wurde offenbar auch durch die Krise an den Kreditmärkten nicht gestoppt. "Ich glaube nicht, dass sich dadurch die Wettbewerbssituation wesentlich geändert hat", sagte Fitschen. Für die Deutsche Bank war das Inlandsgeschäft zuletzt sogar besonders wertvoll, weildas internationale Investmentbanking im Zuge der Krise Verluste machte.

Und in der Commerzbank wirft die Mittelstandsbank derzeit die höchsten Renditen ab. Mittelfristig könnte die Kreditkrise die Gewichte im Mittelstandsgeschäft aber doch noch verschieben: Wenn die KfW ihren 38-Prozent-Anteil an der angeschlagenen IKB verkauft. Die Deutsche Bank hat bereits abgewunken. Sie habe weder Interesse, die Mittelstandsbank zu übernehmen noch ihr Kredite abzukaufen, sagte Fitschen. Über einen Verkauf von Forderungen verhandelt die IKB mit der Postbank.

© SZ vom 21.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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