Elektrosmog:Zwischen Panikmache und Verharmlosung

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Mitten im Leben von Strahlen umgeben: Während sich die Forscher über die Wirkung streiten, reicht einigen Richtern die bloße Angst - sie erlauben eine Mietminderung.

Andreas Lohse

Friedlich schlummert das Baby unter der Headline: "Elektro smog - Die unsichtbare Gefahr?" Daneben die beunruhigenden Mitteilungen: Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit und manches mehr seien "typische Symptome der täglichen unsichtbaren Bestrahlung durch Elektrosmog". Eine Anzeige, die ein Messgerät anpreist, das angeblich schädliche elektromagnetische Strahlungen erkennt.

Untersuchungen mit Gegenuntersuchung

Elektrosmog ist unsichtbar, geruchlos und mit den uns zur Verfügung stehenden Sinnen gemeinhin nicht wahrzunehmen. Die Strahlen umgeben uns unbemerkt und diffus Tag und Nacht, mit steigender Intensität: Die meisten Haushalte strotzen vor Gebrauchs- und Unterhaltungselektronik vom Radiowecker bis zum Computer. Zudem hat heute fast jeder ein Handy. Aber: Eindeutige Hinweise auf tatsächliche Gefahren durch Elektrosmog fand zumindest die Wissenschaft bislang nicht - entsprechenden Untersuchungsergebnissen folgt die Gegenuntersuchung auf dem Fuße.

Fazit: Einflüsse ja, Folgen fraglich

Wie bei der Studie über Patienten mit einem Augentumor: Demzufolge sei das Risiko, an Krebs zu erkranken, für Menschen, die Handys oder Funktelefone "mehrere Stunden bei sich trugen", mehr als dreimal höher als bei anderen Personen. Kurz zuvor waren indes amerikanische Kollegen an die Öffentlichkeit getreten, die in Tierversuchen "keinen Zusammenhang zwischen Handys und Krebs" nachweisen konnten. Das Fazit der Stiftung Warentest: "Mit den vorliegenden Studien lässt sich für das Handy weder ein Unschuldsbeweis noch die Bestätigung einer krank machenden Wirkung belegen." Die Einflüsse seien wissenschaftlich belegt, schädliche Auswirkungen bisher aber nicht bewiesen.

Urteile, die Mietminderung wegen Mobilfunk erlauben

Deutsche Gerichte ficht die widersprüchliche Bewertung von Elektrosmog indes nicht an. So sorgte in einem Fall das Amtsgericht München für Aufsehen, als die Richter entschieden, dass "die Furcht vor gesundheitlichen Folgen einer langjährigen Dauereinwirkung durch eine Antennenanlage nachvollziehbar" sei und dies "einen Mangel an der Mietsache" darstelle (Az. 432 C 7381/95). Eine Mieterin hatte eine Wohnung im obersten Geschoss eines Hauses bezogen, auf dessen Dach bald darauf eine Mobilfunksendeanlage errichtet wurde. Da es über die gesundheitlichen Auswirkungen keine unstrittigen Erkenntnisse gebe, müsse die Furcht der Mieterin vor langfristigen gesundheitlichen Schäden berücksichtigt werden. Denn schließlich, so das Gericht, sei es bereits wiederholt zur Fehleinschätzung technischer Errungenschaften gekommen.

Ähnliches sagt das Oberlandesgericht Hamm. Eine Mehrheit von Wohnungs eigentümern hatte hier beschlossen, auf dem Dach des Hauses eine Mobilfunkantenne installieren zu lassen. Einige Miteigentümer hatten dies angefochten. Die Richter gaben ihnen Recht: Eine solche Beeinträchtigung brauche man nicht hinzunehmen. Dazu genüge "die bestehende Unsicherheit", ob und in welchem Maße die von den Funkanlagen ausgehenden elektromagnetischen Strahlungen gesundheitliche Gefahren für die in unmittelbarer Nähe zu der Anlage wohnenden Menschen bedeuten (Az. 15 W 287/01).

Ohne Elekrogeräte schlafen

Bei der Verbraucherzentrale Berlin erkennt man beim Thema Elektrosmog "eine Spannbreite von Panikmache bis Verharmlosung". Ob beispielsweise auch "eine Stromleitung am Kopfende des Bettes tatsächlich Schlafstörungen oder gar chronische Schmerzen verursachen kann, lässt sich kaum eindeutig klären", tappt man auch hier im Dunkeln. Gleichwohl rät man, "beim Schlafen mindestens einen Meter Abstand von Leitungen und Elektrogeräten zu halten". Noch besser sei es, "alle Stromverbraucher im Zimmer auszuschalten und den Radiowecker gegen einen batteriebetriebenen auszutauschen".

Das Geschäft mit der Angst

Die Unsicherheit indes öffnet Tür und Tor für ein "Geschäft mit der Angst", wie es die Verbraucherzentrale NRW formuliert. Im Visier hat sie Messgeräte, die in Werbesprüchen als "Alleskönner" präsentiert würden, fähig, "jede noch so kleine Strahlungsquelle" anzuzeigen und "bei der geringsten Überschreitung irgendeines Grenzwertes" Alarm zu schlagen. Doch warnen die Verbraucherschützer davor, für "sinnlose Geräte das Portmonee" zu öffnen. Elektrosmog in all seiner Komplexität lasse sich "keinesfalls mal eben von einem Unkundigen ausloten". Wer gesundheitliche Beschwerden auf elektrische Felder in der Wohnung zurückführt, solle nach Ansicht der Verbraucherorganisation ein qualifiziertes Institut beauftragen, um "eine korrekte Messung, eine fachgerechte Interpretation der Daten und Empfehlungen für einen angemessenen Schutz zu bekommen".

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