Eigentum:Das Lebensabschnitts-Haus

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Haus auf Zeit: Die neuen Immobilienkäufer planen nicht mehr fürs Leben.

Miriam Beul

Obwohl schon mehr als die Hälfte der Bundesbürger in den eigenen vier Wänden wohnt, ist der Bedarf an attraktiven Kaufobjekten noch nicht gedeckt. Nach einer Studie des Bonner Empirica-Instituts für die Landesbausparkassen (LBS) gibt es in Deutschland etwa 1,3 Millionen Mieterhaushalte, die gern eine Wohnung oder ein Haus erwerben würden und dies finanziell auch stemmen könnten. Doch entsprechende Einstiegsmodelle - preisgünstige Immobilien für unterschiedliche Phasen des Lebens - fehlen. "Die Wohnungsmärkte haben sich auf die veränderte Situation noch nicht eingestellt, sondern hinken dem eigentlichen Bedarf nach Vielfalt und Transparenz hinterher", sagt LBS-Verbandsdirektor Hartwig Hamm.

Mangel an Angeboten: 1,3 Millionen Mieterhaushalte wollen theoretisch eine Immobilie erwerben. (Foto: Foto: dpa/photodisc)

Dabei könnte auch die am Boden liegende Bauwirtschaft von einer Angebotserweiterung profitieren. Schließlich entspricht das unausgeschöpfte Erwerberpotenzial in etwa den Fertigstellungen von Ein- und Zweifamilienhäusern aus gut sechs Baujahrgängen. Zugrunde liegt der Rechnung allerdings die Erkenntnis, dass sich das enge Verhältnis der Menschen zu ihrem gebauten Vermögen lockert und somit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass mehrmals im Leben eine Immobilie erworben wird. "Der Typ des klassischen Familienversorgers, der jeden Pfennig und viele Stunden Arbeit in sein Zwei- bis Dreigenerationen-Häuschen investiert, es als den Mittelpunkt der Welt ansieht und um keinen Preis aufgeben möchte, gehört offenbar der Vergangenheit an", heißt es in der Studie.

An seine Stelle treten sieben Erwerbertypen. Zwei von ihnen sind neu, der "Lebensabschnittserwerber" und der "Weichensteller". "Beiden ist eigen, dass sie die Immobilie nicht fürs Leben, sondern erst einmal für eine bestimmte Phase erwerben", erläutert Hamm weiter. So setzt sich der Lebensabschnittserwerber mit dem Kauf der ersten Immobilie konkret in der Phase der Familienerweiterung - der Geburt des ersten oder zweiten Kindes - auseinander. Er lege Wert auf eine familiengerechte Wohnqualität. Dabei führe die Abwägung zwischen der Familien-, Arbeits- und Einkommenssituation häufig zur Wahl eines dezentralen Wohnstandortes. Gekauft werde keine Traumimmobilie, sondern ein funktionales, verkehrstechnisch gut gelegenes Neubauobjekt an der Peripherie oder im Umland.

"Der Lebensabschnittserwerber geht nicht davon aus, dass er das familiengerechte Haus für den Rest seines Lebens bezieht", heißt es in der Studie weiter. Schon beim Erwerb stehe fest, dass mit zunehmender Verbesserung der finanziellen Situation die Suche nach einem neuen Haus beginnt. "Den Wunsch nach einer individuellen Architektenimmobilie verschiebt der Lebensabschnittserwerber auf später, wenn die Kinder aus dem Haus sind", sagt Hamm. 21 Prozent aller potenziellen Eigenheimkäufer lassen sich heute diesem Typ zuordnen.

Als ebenfalls neu bezeichnen die Empirica-Wissenschaftler den Käufertyp des "Weichenstellers", auf den vier Prozent entfallen. Dieser nennt die erste Immobilie bereits als Single sein Eigen. Hierbei handelt es sich zumeist um Akademiker, die zeitig Karriere gemacht haben, überdurchschnittlich gut verdienen, ihr Geld mit vollen Händen ausgeben und eher in Großstädten leben.

Zur Zeit des Immobilienerwerbs lebt dieser Käufertyp allein oder mit Partner ohne Kinder. Mit der Immobilieninvestition verfolgt er zwei Ziele: Sie hält ihn zum Sparen an und dient ihm außerdem als Geldanlage für den Aufbau eines dauerhaften Vermögens. Auf Veränderungen in der Lebenssituation reagiert der "Weichensteller" überaus flexibel: Die Singlewohnung wird dann vermietet oder verkauft.

Der theoretischen Kaufbereitschaft dieser 1,3 Millionen Mieterhaushalte, deren Bewohner jünger als 60 Jahre alt sind, steht momentan mehr entgegen als ein spärliches Angebot. Auch schlechtere Rahmenbedingungen und das Bangen um den Job lassen viele Mieter die Entscheidung auf die lange Bank schieben. Zulagen wie die Pendlerpauschale wurden abgeschafft, bei der Eigenheimzulage wurde gekürzt.

Auch gehen viele Städte mit ihrem Bauland knickrig um: Zwar möchten sie ihren Mieterhaushalten attraktive Kaufangebote machen, gleichzeitig jedoch soll eine weitere Zersiedelung gestoppt und das Verkehrsaufkommen durch Pendlerströme minimiert werden. Aus umwelt- und sozialpolitischer Sicht ist es in den meisten Regionen tatsächlich wenig sinnvoll, das Anschwellen der "Speckgürtel" weiter zu fördern, während die Innenstädte von Abwanderung und Überalterung bedroht sind.

Unter dem Motto "Zurück in die City" haben sogar etliche Kommunen - auch in überregionalem Verbund - Imagekampagnen gestartet, um "jungen Familien" das Leben in den Städten wieder schmackhaft zu machen. Als Steuerzahler und Garanten für das soziale Gleichgewicht in den Quartieren sehen sich Familien neuerdings als heiß umworbene Klientel. "Viele Kommunen haben es in der Vergangenheit versäumt, innerstädtisches Bauland auszuweisen", sagt Ullrich Sierau, Planungsdezernent der Stadt Dortmund.

© SZ vom 5.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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