Drohende Finanzkrise:Ist das Schlimmste vorbei?

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Euro-Notenbank-Chef Trichet sagt, dass die Börsen sich wieder entspannen. Kritiker rügen derweil das "Lotteriespiel" am Finanzmarkt.

Die Milliardenspritzen der Notenbanken als Reaktion auf die US-Immobilienkrise haben am Dienstag zu einer leichten Beruhigung, aber noch zu keiner wirklichen Entspannung auf den Finanzmärkten geführt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) gab den Banken nochmals eine Geldspritze über 7,7 Milliarden Euro. Das Volumen ging verglichen mit den Vortagen jedoch erheblich zurück. Die japanische Notenbank entzog dem Geldmarkt insgesamt 1,6 Billionen Yen (9,96 Milliarden Euro).

Damit nahm die Notenbank die gesamte Summe an Liquidität wieder aus dem Finanzkreislauf, die in den Tagen zuvor angesichts des Übergreifens der US-Hypothekenkrise geflossen war. Weltweit waren vorübergehend mehr als 270 Milliarden Euro in den Geldmarkt gepumpt worden, wobei die EZB seit vergangenen Donnerstag allein gut 211 Milliarden einbrachte.

Nach Einschätzung von EZB und Bundesbank hat sich die Unruhe an den Finanzmärkten weitgehend gelegt. "Die Bedingungen an den Finanzmärkten normalisieren sich allmählich wieder", sagte EZB- Präsident Jean-Claude Trichet laut Mitteilung der Notenbank am Dienstag. "Ich rufe alle Beteiligten dazu auf, gelassen zu bleiben."

Die Zentralbank habe die "Liquidität zur Verfügung gestellt, die notwendig war, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Geldmärkte sicherzustellen", unterstrich Trichet.

Bundesregierung, Bundesbank und Wirtschaftsverbände rechnen derzeit nicht mit negativen Einflüssen auf die deutsche Konjunktur. "Die wirtschaftliche Grunddynamik ist intakt", bekräftigte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in Berlin.

"Wir erwarten zum jetzigen Zeitpunkt von der US-Hypothekenkrise keine negativen Einflüsse auf das sehr robuste reale Wirtschaftswachstum in Deutschland, so dass sich das Wachstum in Zukunft wieder beschleunigen kann", sagte Glos.

Bundesbank-Präsident Axel Weber erklärte laut Mitteilung der Bank in Frankfurt, die Wirtschaftsdaten seien unverändert positiv. "Sie sprechen für eine Fortsetzung des robusten und breit angelegten Wirtschaftsaufschwungs."

Experten äußerten sich erstaunt über die starken Auswirkungen der Hypotheken- und Kreditkrise in den USA auf europäische Banken. Die EZB überflutet nach Ansicht von Ökonomen den Euro-Raum mit Geld, weil hier der Liquiditätsbedarf der Banken - im Vergleich zu den USA - besonders hoch ist.

"Das ist ein psychologischer Aspekt", sagte Analyst Mario Mattera vom Bankhaus Metzler der Deutschen Presse- Agentur dpa. Es sei frappierend, wie viele europäische und deutsche Banken von der US-Immobilienkrise betroffen seien. "Deshalb ist das Misstrauen hier sehr groß und der Handel zwischen den Banken derzeit sehr eingeschränkt. Jeder vermutet beim anderen noch schlummernde Risiken."

Die EZB greift stärker ein als die US-Notenbank

Deshalb greife die EZB im Vergleich zur US-Notenbank besonders stark am Geldmarkt ein. Zudem würden viele ausländische Investoren wegen der Turbulenzen an den Finanzmärkten Geld aus Europa abziehen - auch da wolle die EZB mit dem beruhigenden Signal gegensteuern. Die Volkswirte sehen inzwischen eine leichte Entspannung des Kreditengpasses der Banken in Europa.

Die Volumen der EZB-Finanzspritzen sind seit dem ersten Tag zurückgegangen von knapp 95 Milliarden Euro auf 61 Milliarden Euro am Freitag, dann auf 47,7 Milliarden Euro zu Wochenbeginn und schließlich 7,7 Milliarden am Dienstag. "Mit dem Rückgang der Summen setzt die EZB ein Signal, dass sich die Lage wieder normalisiert", sagte Analyst Christoph Balz von der Commerzbank.

Die neue EZB-Geldspritze wurde wiederum in Form eines Schnelltenders zugeteilt. Der Schnelltender am Dienstag war mit einer Laufzeit von einem Tag und einem Mindestsatz von 4,00 Prozent ausgeschrieben worden. 41 Bieter beteiligten sich.

Der Durchschnittszins lag bei 4,07 Prozent und der Marginalsatz - der niedrigste Satz, zu dem noch Gebote angenommen wurden - ebenfalls bei 4,07 Prozent. Ein Tenderverfahren ähnelt einer Auktion. Damit können die Finanzmärkte mit Geld versorgt werden, aber die Notenbanken können mit einem Tender auch überschüssige Liquidität abschöpfen.

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac forderte angesichts der Turbulenzen eine strenge Bankenaufsicht und gesetzliche Kontrolle der Finanzmärkte. Der hochspekulative Markt für "Ramsch-Hypotheken" (subprime-Markt) müsse verboten werden.

"Vordergründig ist die Krise entstanden, weil finanzschwache Häuslebauer in den USA ihre Raten nicht mehr bezahlen können. Die eigentliche Ursache aber ist die politisch gewollte Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte", sagte Detlev von Larcher vom Attac- Koordinierungskreis.

Die Gier nach hohen Profiten treibe die Jongleure auf den Finanzmärkten zu Geschäften mit höchstem Risiko wie dem Handel mit ungesicherten Hypotheken. "Es handelt sich um ein Lotteriespiel auf dem Finanzmarkt. Echtes Lotto unterliegt allerdings gesetzlichen Regelungen und strenger Aufsicht", sagte von Larcher.

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