DIW-Präsident Zimmermann:"Ich halte es mit Lafontaine"

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Langfristig wird sich eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um bis zu sechs Prozentpunkte auf 25 Prozent nicht vermeiden lassen, prophezeit DIW-Präsident Zimmermann.

Varinia Bernau

Was unpopulär ist, muss nicht falsch sein, meint Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Mitten in der Krise hat er der Politik empfohlen, die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent anzuheben.

Klaus Zimmermann (Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Zimmermann, Sie haben sich dafür ausgesprochen, die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent zu erhöhen. Wollen Sie der ohnehin schon schwächelnden Konjunktur den Todesstoß versetzen?

Zimmermann: Es geht mir nicht darum, die Mehrwertsteuer sofort anzuheben. Ich sage nur, dass wir langfristig um eine Erhöhung, etwa zum Jahr 2011, nicht herumkommen. Nur: Diese Steuererhöhung sollte jetzt schon angekündigt werden.

SZ: Schon jetzt haben viele Firmen Absatzprobleme. Wer soll noch einkaufen, wenn er für die meisten Produkte sechs Prozent mehr zahlen muss?

Zimmermann: Wenn wir eine Mehrwertsteuererhöhung ankündigen, würden viele ihre Einkäufe vorziehen. Den heutigen Konsum würden wir damit nicht schwächen. Im Gegenteil, wir würden ihn sogar stärken.

SZ: Aber langfristig stabilisieren würde das den Konsum nicht.

Zimmermann: Ich behaupte nicht, dass wir allein mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer von der Konjunkturkrise direkt in eine Phase des Wirtschaftswachstums übergehen können. Und es geht natürlich nicht nur darum, mehr Geld zu kassieren, sondern darum, es sinnvoll einzusetzen. Die große Koalition hätte jetzt die Kraft, ein Gesamtpaket zu schnüren und darin auch andere Ungerechtigkeiten auszugleichen, etwa die vergleichsweise hohe Abgabenlast für die Geringverdiener oder auch die finanziellen Lücken im Gesundheitssystem. Eine höhere Mehrwertsteuer hat dabei den Charme, dass sie alle gleichmäßig belastet und dabei auch die Importe einbezieht. Und sie gibt uns die Möglichkeit, die Lohnnebenkosten niedrig zu halten oder sogar zu senken. Die Exportgüter werden durch die Mehrwertsteuer nicht belastet. Dies sichert unsere extrem wichtige Exportwirtschaft. Für mich ist das auch eine Frage der Ehrlichkeit.

SZ: So charmant Ihr Konzept auch sein mag: Gerade in Krisenzeiten ist es den Bürgern kaum vermittelbar.

Zimmermann: Ich bin Wissenschaftler und kein Politiker. Etwas Richtiges wird nicht dadurch falsch, dass es unpopulär ist. Ich halte es da mit Oskar Lafontaine, der vor den ökonomischen Folgen der Wiedervereinigung gewarnt hat. Dass damals niemand auf ihn gehört hat, spüren wir volkswirtschaftlich noch heute. Ich hoffe, dass die Politik daraus lernt und dem Wähler alle Konzepte vorstellt. Die deutsche Staatsverschuldung als Folge der Krise beläuft sich mittelfristig auf mindestens 500 Milliarden Euro. Allein mit den Zinszahlungen dafür kommt auf die Menschen eine enorme Zukunftsbelastung zu. Dass die gestemmt werden muss, ist den Bürgern durchaus bewusst.

© SZ vom 29.05.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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