Die großen Erbfälle: Geld - Macht - Hass:Zwei Brüder auf Kreuzzug

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Kampf für den Kapitalismus: Charles und David Koch erbten von ihrem Vater Milliarden. Heute finanzieren sie die rechte Tea-Party-Bewegung in den USA.

Moritz Koch, New York

Am ersten Februar 1991 sitzt David Koch an Bord von US Air 1493, ganz vorn in der First Class, standesgemäß für einen Milliardär auf Geschäftsreise. Der Flug von Columbus nach Los Angeles verläuft ruhig, es gibt keinerlei Zwischenfälle. Die Maschine landet kurz nach 18 Uhr, ein paar Minuten früher als erwartet und beginnt zu bremsen.

David Koch: Einer der beiden schwerreichen Koch-Brüder, die den Rechtsruck in den USA fördern. (Foto: Bloomberg News)

Niemand rechnet mit dem Schlag. Auch die Piloten bemerken den Jet nicht, der vor ihnen das Rollfeld kreuzen will. Die Wucht des Aufpralls wirft die Boeing 737 aus der Bahn. Das Wrack kracht in eine verlassene Löschstation. Sofort füllt giftiger Qualm die Kabine. Die erste Klasse wird zur Todesfalle. Alle, die dort saßen, sterben - alle, bis auf einen: David Koch.

Schwerverletzt kann er sich retten. "Wenn du der Einzige bist, der vorne im Flugzeug überlebt hat, dann denkst du dir schon: Der liebe Gott hat dich verschont für irgendeinen höheren Zweck", sagt er später. Die Begegnung mit dem Tod hat das Leben des Milliardärs verändert. Gott, so glaubt er, habe ihm eine zweite Chance gegeben. Oder sogar eine dritte, denn auch den Krebs, der ihn seit mehr als zehn Jahren in Schüben überfällt, besiegt er immer wieder. Der 70-Jährige zahlt sein Glück auf seine Weise zurück - als Großspender mit zwei Gesichtern.

Da ist einerseits der Liebhaber der hohen Künste, der Millionensummen für Museen, Musikhallen und Krankenhäuser stiftet. Und da ist andererseits der politische Landschaftspfleger, der sich nicht zu schade ist, Misstrauen zu säen und Hass zu schüren, wenn es seinen Interessen dient.

David Koch zählt, gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Bruder Charles, zu den Hauptsponsoren der rechten Rebellion gegen US-Präsident Barack Obama. Der vermeintlich vorbildliche Philanthrop aus dem liberalen New York ist der heimliche Financier der erzkonservativen Tea Party Bewegung, die nach der Macht in Washington greift.

Schluss mit den Sozialleistungen

Der Aufstieg der Gebrüder Koch begann mit einer Erbschaft. 1967 stirbt ihr Vater Fred. Er hinterlässt seinen Söhnen die Ölfirma Koch Industries und prall gefüllte Konten. Vor allem aber vermacht er ihnen ein Weltbild, in dem die Freiheit kein Pardon kennt: den Libertarismus konservativer Prägung.

Fred Koch war Mitglied der obskuren John Birch Society, die selbst US-Präsident Dwight D. Eisenhower für einen kommunistischen Agenten hielt. Er impfte seinen Kindern eine tiefgreifende Abscheu gegen den Sozialstaat ein. "Er sprach andauernd mit uns darüber, was mit der Regierung schief läuft", erinnert sich David Koch. Und offenbar hörten die Brüder dem Vater gut zu. Denn David und Charles führen die radikale Familientradition fort.

Die Kochs wollen einen Minimalstaat. Steuern auf Einkommen und Unternehmensgewinne sollen radikal gesenkt oder ganz abgeschafft, Sozialtransfers gestrichen werden. Es soll Schluss sein mit der staatlichen Bevormundung der Wirtschaft.

Die Kochs wollen den totalen Kapitalismus, und sie sind bereit zu kämpfen - gegen ein staatliches Gesundheitssystem, gegen den Klimaschutz und alles andere, das sie für Auswüchse des Sozialismus halten. "Amerika steht der größten Verlust von Freiheit und Wohlstand seit den 30er Jahren bevor", warnte Charles Koch kürzlich in einem Rundbrief seines Unternehmens.

Die hysterischen politischen Botschaften der Koch-Brüder dienen in erster Linie einem Zweck: dem Geldverdienen. Ihre Agenda ist deckungsgleich mit ihren Geschäftsinteressen. Vor allem durch Obamas Umweltreformen fühlen sich die Kochs bedroht. Die grüne Revolution, von der Amerikas Präsident träumt, ist Gift für ihre Firmengruppe.

David und sein Bruder Charles bauten Koch Industries zu einem gewaltigen Industriekonglomerat aus. Sie kauften Raffinerien in Alaska, Texas und Minnesota, übernahmen die Kontrolle von Pipelines und stiegen in den Holzhandel ein. Die Produktpalette ihrer Firmen reicht heute von Pappbechern und Klopapier über Düngemittel bis hin zu Dessous und Badeanzügen.

Koch Industries ist das zweitgrößte US-Unternehmen, das sich im Privatbesitz befindet - und es gehört fast ausschließlich David und Charles. Ihr gemeinsames Vermögen von 35 Milliarden Dollar wird nur von Bill Gates und Warren Buffett übertroffen.

Mit so viel Geld lässt sich vieles finanzieren, sogar eine politische Bewegung. Die Tea Party stellt die Fußsoldaten für den Kochschen Kreuzzug gegen die progressiven Machthaber. Der Vormarsch der rechten Rebellen wird von den Spenden der Kochs angetrieben, der flammende Obama-Hass vieler Republikaner mit den Profiten von Koch Industries angeheizt.

Das Magazin New Yorker hat jüngst geschildert, wie die Kochs den Rechtsruck Amerikas den Weg bereiteten. Über Jahre spannten sie ein Netz von Stiftungen und politischen Organisationen, die marktradikale Kandidaten unterstützten. Sie knüpften Kontakte zu konservativen Leitfiguren wie Rupert Murdoch, der mit seinem Kampagnen-Kanal Fox News ebenfalls großen Anteil am Aufstieg der Tea Party hat. Sie finanzierten Denkfabriken, förderten rechte Blogger und ließen Zweifel am Klimawandel streuen. Wie viel Geld die Kochs in ihr politisches Projekt gesteckt haben, lässt sich nicht beziffern. Zu geschickt haben sie ihre Spuren verwischt.

Eine rechte Graswurzelbewegung

Unabhängig von der eingesetzten Summe kann sich die Rendite sehen lassen: Der Libertarismus ist mehrheitsfähig geworden, jedenfalls im derzeitigen politischen Umfeld, in dem die Obama-Wähler enttäuscht sind. Obwohl viele Tea-Party-Anhänger von staatlichen Transfers abhängig sind, gehen sie auf die Straße, um Steuersenkungen für die Multimillionäre zu fordern. Sie glauben an das Mantra vom Trickle-Down-Effekt, wonach der Wohlstand von oben herabsickert und es den Armen besser geht, wenn die Reichen mehr bekommen.

Noch sind die Kochs nicht am Ziel, doch es sieht gut aus für die radikalisierte Rechte. Die Demokraten sind in der Defensive. Bei den bevorstehenden Kongresswahlen drohen ihnen herbe Verluste. Auch einen handfesten Erfolg konnten die Kochs schon verbuchen. Das Klimagesetz, das Obama versprochen hatte, scheiterte trotz einer Mehrheit der Demokraten im Kongress. Jetzt wollen die Milliardäre mehr: Die Emissionsregeln in Kalifornien sollen ebenfalls kippen.

Der Westküsten-Staat hat sich vorgenommen, den CO2-Ausstoß bis 2020 auf das Niveau von 1990 zu drücken. Doch die Koch-Brüder wittern eine Chance. Sie haben zusammen mit Verbündeten aus der Öl-Industrie ein Referendum angeschoben, um die Vorschriften zu verhindern, und spielen gekonnt mit der Angst der Bürger vor Jobverlusten.

Die Rezession hat den Nährboden für eine rechte Graswurzelbewegung geschaffen. Die Koch-Brüder wissen, wie man ihn bestellt. Und wenn am 2. November gewählt wird, spricht alles für eine üppige Ernte. Ihr Vater wäre stolz auf sie.

© SZ vom 25.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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