Die Allianz und die schönen Zahlen:Ein bisschen Entschuldigung

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Gut ein halbes Jahr nach der Ankündigung, Tausende von Stellen zu streichen, legt die Allianz die besten Zahlen ihrer Geschichte vor. Da bleiben ein paar Fragen offen.

hgn

Es sind angenehme Zeiten für die Finanzindustrie: Die Kurse steigen, die Gewinne explodieren - und die Schlagzeilen stimmen auch wieder. Scheinbar ist vergessen, dass die Allianz mitten im Fußball-Sommermärchen den Big Bang ankündigte: 7500 Arbeitsplätze sollten wegfallen, ganze Standorte geschlossen werden. Für eine gute Zukunft, zumindest an den Finanzmärkten.

Doch der Bang wurde so Big, dass der Allianz ganz schwindelig wurde: Sie hatte das Empörungpotenzial der Mitarbeiter völlig unterschätzt. Die Aufruhr steigerte sich derart, dass der Versicherer später einen Teil der Maßnahmen zurücknahm. Dabei hatte die Deutsche Bank doch schon vorexerziert, wie man es besser nicht macht.

Nun, ein halbes Jahr später, entpuppt sich die Absurdität des Brachialaktes. Wer mehr verdient als jeder andere deutsche Konzern, muss nicht zum großen Besteck greifen.

Frage nach der Intention

Um so mehr drängt sich jetzt die Frage auf: Was wollte der Allianz-Vorstand im vergangenen Juni erreichen? Härte demonstrieren, weil das an der Börse immer gut ankommt? Oder im Aufsichtsrat punkten, weil die Rausschmeißer unter den Vorständen besser verdienen?

Die Antwort ist der Münchner Konzern bis heute schuldig geblieben. Immerhin - Allianz-Chef Michael Diekmann wrang sich jetzt den Ansatz einer Entschuldigung ab: Wir haben in Deutschland in einem sehr schwierigen Prozess im letzten Jahr nicht immer überzeugend agiert, und das bedauere ich", sagte er am Donnerstag.

Auf der Suche nach dem richtigen Weg

Bei "vielen Gesprächen mit Mitarbeitern, Arbeitnehmervertretern, Kunden und Aktionären" sei nicht das Ziel der Neuordnung in Frage gestellt worden. "Aber es gab Unterschiede in der Frage nach dem richtigen Weg."

Genau das ist der Punkt. Dass sich ein Industriekoloss wie die Allianz vielerorts besser aufstellen muss, an manchen Stellen womöglich zu viel, an anderen zu wenig Personal hat, ist nicht zu bezweifeln. Auch überrascht nicht, dass der vergleichsweise komfortable Tarifvertrag der Versicherungsbranche die Unternehmen im internationalen Wettbewerb vor Probleme stellt.

Doch von den zahlreichen Möglichkeiten der Neuordnung wurde die brutalstmögliche gewählt. Und das wirkt nach: Die schönen Zahlen haben keinen Glanz und bei vielen Mitarbeitern ist das Vertrauen zerstört: Hat ein Unternehmen erst einmal die Fratze gezeigt, vergisst das keiner mehr.

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