Deutsche Versicherer:Auf der vermeintlich sicheren Seite

Lesezeit: 3 min

Die US-Hypothekenkrise trifft deutsche Versicherer angeblich kaum - trotzdem warnen Experten vor sinkenden Überschüssen.

Corinna Nohn

Deutsche Verbraucher leiden bislang kaum unter den Folgen der US-Hypothekenkrise. Derzeit sind nur solche Anleger betroffen, deren Aktiendepot im Zuge der Kurseinbußen an den Börsen an Wert verlor oder die über Investmentfonds Geld in ABS-Anleihen gesteckt haben.

Diese durch Forderungen (asset) gedeckten (backed) Wertpapiere (securities) haben in den vergangenen Wochen erhebliche Verluste verzeichnet.

Doch auch wer eine Lebensversicherung hat, könnte noch Auswirkungen der Krise zu spüren bekommen - denn institutionelle Investoren wie Banken und Versicherungskonzerne haben ABS-Anleihen gekauft oder über Spezialfonds in sie investiert.

"Keine großen negativen Folgen"

Die Finanzaufsicht fürchtet zwar keine großen negativen Folgen. Jedoch vermuten Verbraucherschützer wie Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg, "dass die Lebensversicherer die US-Hypothekenkrise für sich nutzen und die Überschusszahlungen kürzen - auch wenn sie nicht betroffen sein sollten".

Die Assekuranz-Branche versucht zu beruhigen: Man habe nur in geringem Umfang in ABS-Anleihen investiert, und wenn, dann in solche mit sehr guter Bonität.

So gibt der Marktführer Allianz Leben an, sehr niedrige Beträge in ABS-Anlagen gesteckt zu haben, deren Wert sich zudem positiv entwickle.

7,5 Prozent dürfen in ABS-Produkte gesteckt werden

Darunter fänden sich keine US-Subprime- oder verwandte Kredite. Solche Darlehen an zahlungsschwache Schuldner hatten die Krise ausgelöst. Tatsächlich dürfen Versicherer bis zu 7,5 Prozent ihres Kapitals in ABS-Produkte stecken.

Doch eine Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zeigt, dass die Unternehmen direkt und indirekt im Schnitt lediglich 1,8 Prozent ihres Geldes in solche Anleihen investiert haben.

Bei 40 der 620 befragten Gesellschaften machten Kreditverbriefungen mehr als drei Prozent der Kapitalanlagen aus; hier hakte die Bafin nach.

Die Hälfte dieser Versicherer hatte nach eigenen Angaben keine mit US-Immobilien besicherten Kredite im Portfolio, sondern nur andere ABS-Anleihen - dahinter können zum Beispiel Kreditkartenforderungen oder Darlehen für Autokäufe stehen.

"Im Umfang stark begrenzt"

Die übrigen Unternehmen hätten angegeben, dass ihre mit US-Immobilien gesicherten Verbriefungen "im Umfang stark begrenzt sowie größtenteils sehr gut abgesichert seien", sagt ein Bafin-Sprecher, deshalb drohten kaum negative Folgen.

Die Versicherungsgesellschaften hatten in Zeiten magerer Zinsen in die Verbriefungsprodukte investiert, da diese ein bis zwei Prozentpunkte mehr Rendite als herkömmliche Anlagen versprachen. Gleichzeitig erhielten die ABS-Anleihen oft Bestnoten von Ratingagenturen. Es schien also möglich, höhere Gewinne ohne gesteigertes Risiko zu erwirtschaften.

Ein Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) führt an, dass die Situation der Versicherungskonzerne nicht mit der Lage der Banken zu vergleichen sei.

Langfristige Anlagen

Letztere hätten Liquiditätsprobleme, da ihre kurzfristige Refinanzierung wegen des Preisverfalls für ABS-Anleihen nicht mehr gewährleistet sei. "Bei den Versicherern geht es aber um langfristige Anlagen - sie sind nicht gezwungen, die Papiere jetzt zu verkaufen."

Außerdem überstiegen die Prämieneinnahmen der Lebensversicherer zurzeit die Ausgaben. "Wenn, dann wären künftige Auszahlungen betroffen", sagt der Sprecher. Da die wenigen ABS-Anlagen der Konzerne sehr gut abgesichert seien, würden sich die Preise wieder erholen, und "es drohen keine Konsequenzen".

Moody's: "relativ konservative Anlagestrategien"

Eine Studie der Ratingagentur Moody's bestätigt den europäischen Versicherern in der jüngsten Vergangenheit "relativ konservative Anlagestrategien".

Branchenexperte Manfred Poweleit, Chef des Fachinformationsdienstes Map-Report, sieht das anders. "Ich bezweifle, dass alle Versicherungskonzerne so genau wissen, wie viel Kapital sie in ABS-Anleihen gesteckt haben."

Die Produkte seien komplex und teilweise versteckt in Fonds. Er bemängelt auch die intransparente Rechnungslegung der Unternehmen: "Außenstehende können kaum feststellen, wo Lebensversicherer investiert haben - aus den Geschäftsberichten ist es nicht ersichtlich."

Es fehle eine stringente Kontrolle. "Deshalb traue ich den Beschwichtigungen nicht. Es ist so viel Geld in diese Anleihen geflossen, aber keiner will sie gekauft haben."

"Von außen kann man da nicht reinschauen"

Das Volumen von ABS-Anleihen wird in den USA auf 900 Milliarden Euro und in Europa auf 300 Milliarden Euro geschätzt. "Ich vermute, dass die Versicherer in Anlagen mit geringem Ausfallrisiko investiert haben, aber von außen kann man da nicht reinschauen", sagt auch Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen.

"Wir werden es am Jahresende an den Überschüssen sehen - wenn die gekürzt werden, stellt sich die Frage, ob das wirklich auf Grund der Abwertung von ABS-Anleihen geschieht."

© SZ vom 04.09.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: