Deutsche Banken:Wehe wenn der Kunde kommt

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Zwar betonen Banken, dass ihnen die Privatkundschaft wieder wichtig sei. Doch der Service ist mies.

Martin Hesse und Moritz Koch

Deutsche Banken überschlagen sich seit Monaten mit immer neuen Angeboten für Privatkunden: Sie bieten kostenlose Girokonten, experimentieren wie die Commerzbank mit der Samstagsöffnung von Niederlassungen, basteln an "Filialen der Zukunft'' wie die Deutsche Bank, oder suchen neue Vertriebskanäle wie die HypoVereinsbank mit der Kaffee-Kette Tchibo.

Dennoch beurteilen Experten die Leistungen deutscher Banken im Privatkunden-Geschäft als bestenfalls mittelmäßig. "Es gibt eine Renaissance des Privatkunden-Geschäfts, aber die Anstrengungen reichen nicht aus'', sagte Reiner Hoock, Geschäftsführer und Bankenexperte bei Booz Allen Hamilton (BAH), am Donnerstag in Frankfurt.

Die Unternehmensberatung hat für eine Studie Kunden befragt und inkognito 100 Banken in 17 Ländern getestet. Das Ergebnis: "Deutschland ist nur Mittelmaß und weit weg von der internationalen Spitze'', sagte Hoock.

Im internationalen Vergleich schneiden laut BAH Banken aus Hongkong, der Schweiz und den USA am besten ab. Als einzelne Institute heben die Berater HSBC hervor, die in Hongkong und Großbritannien sitzt, sowie die Schweizer Banken Raiffeisen und UBS. Die beste deutsche Bank folgt auf Rang 13 - mit Rücksicht auf Kundenbeziehungen nennt BAH den Namen jedoch nicht.

"Dumme Call-Center''

Den Schweizer Banken sei es gelungen, Konzepte für ihre vermögenden Kunden zum Teil auf die breite Kundschaft zu übertragen. Dagegen sind der Studie zufolge mangelhafte Kundenbetreuung, umständliche Vertriebswege und unverständliche Produkte die Markenzeichen deutscher Geschäftsbanken.

"Nur 30 Prozent der Kunden sind mit der Betreuung zufrieden'', sagte Hoock. BAH untersuchte sowohl die Betreuung in den Filialen als auch die Online- und Telefonbanking-Angebote.

Auch wenn Kunden Bankgeschäfte zunehmend über das Internet tätigen, bleibt die Filiale für sie mit Abstand die wichtigste Anlaufstelle. Wem Finanzthemen wie Altersvorsorge oder Baufinanzierung zu komplex seien, gehe in die Filiale, sagte Hoock.

"Aber dort fühlen sich die Kunden dann schlecht beraten.'' Auch den Online-Angeboten und dem Telefonbanking stellt BAH nur durchschnittliche Zeugnisse aus. "Wir haben in Deutschland relativ dumme Call-Center'', sagte Hoock.

Um die wachsenden Ansprüche der Kunden besser zu bedienen und die zunehmend wechselbereite Klientel zu binden, empfiehlt BAH, die Filialen aufzuwerten, Berater besser zu schulen und das online verfügbare Produktangebot auszubauen.

Hoock sagte aber auch, das eine, perfekte Konzept für die Filiale der Zukunft gebe es nicht. Es komme viel mehr darauf an, die Niederlassungen besser auf den Standort und die dortige Klientel zuzuschneiden.

Als Beispiel nannte er eine Deutsche-Bank-Filiale in einem Neubaugebiet Münchens, die sich mit Produkten und Gestaltung der Niederlassung gut auf die vielen jungen Familien in der Gegend eingestellt habe. Besonderen Handlungsbedarf sieht BAH beim Geschäft mit gehobenen Privatkunden. Hier werde ein erhebliches Wertschöpfungspotential nicht ausgeschöpft.

Bei Experten löste die Studie unterschiedliche Reaktionen aus. Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, sieht in der unzureichenden Beratung von Premiumkunden ein großes Versäumnis.

"Die Kreditinstitute verlieren viele interessante Kunden an Vermögensverwalter, die einen intensiveren und persönlicheren Service bieten.'' Zugleich riet Gerke jedoch zur Vorsicht bei der Interpretation der Studie. Pauschale Aussagen über die Beratungsleistung seien schwierig, da die Qualität auch innerhalb eines Instituts erheblich schwanke und oft von der Kompetenz einzelner Angestellter abhänge.

Auch Konrad Becker, Analyst bei Merck Finck, gab sich skeptisch. "Kundenbefragungen haben den Nachteil, dass man sich auf Aussagen von Personen stützt, die meist nur die Beratungssituation im Heimatland kennen'', sagte er.

Manfred Westphal vom Verbraucherzentrale Bundesverband stimmte dem Tenor der Studie dagegen zu: "Die Beratung ist vielfach nicht bedarfsgerecht. Da Angestellte Provisionen für verkaufte Produkte erhalten, werden Kunden häufig Angebote aufgeschwatzt, die sie gar nicht brauchen.''

Allerdings sieht Westphal nicht die Premiumkunden, sondern die einkommensschwachen Sparer vernachlässigt. Ihnen böten die Banken einen besonders schlechten Service.

© SZ vom 14.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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