Der Schätzerkreis tagt:Eine politische Rechnung

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Keine leichte Aufgabe: Der Schätzerkreis ermittelt die Kosten für das Gesundheitssystem - und muss quasi nebenbei eine hochpolitische Aufgabe lösen.

Guido Bohsem

Wenn der Schätzerkreis für das Gesundheitswesen an diesem Montag mit der Berechnung des neuen Beitragssatzes für die gesetzliche Krankenversicherung beginnt, geht es um viel mehr als um einfache Mathematik. Oberflächlich betrachtet hat das Gremium einzig und allein die Aufgabe, alle Ausgaben und Einnahmen der mehr als 200 Kassen so gut wie möglich zu taxieren und daraus einen Beitragssatz abzuleiten.

Wie viel Geld wird's geben? Der Schätzerkreis tagt von Montag an. (Foto: Foto: AP)

Tatsächlich aber hat die Rechenarbeit enorme politische Bedeutung. Sie ist der letzte Baustein des umstrittenen Gesundheitsfonds. Der soll im Wahljahr 2009 starten und gilt gemeinhin als zentrales Projekt der großen Koalition. Am Erfolg des Vorhabens hängt nicht nur das politische Schicksal von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), sondern auch das von Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin war es, die den Fonds durchsetzte und in den vergangenen Monaten gegen alle Bedenken der Gesundheitsexperten in der Union und außerhalb verteidigte.

Ob die Geldsammelstelle akzeptiert wird, hängt wesentlich von der Höhe des Beitrags ab, den die Schätzer bis Mittwoch kalkulieren und den die Bundesregierung nächste Woche festlegt. Klar ist nur, dass es für die meisten Kassenmitglieder teurer wird. Das hat weniger mit dem Fonds zu tun, sondern mit den Entscheidungen der vergangenen Wochen. So sollen die niedergelassenen Ärzte mehr Geld bekommen und die Krankenhäuser. Zudem dürften die Ausgaben für Arzneimittel auf ein neues Rekordniveau steigen. Gelindert wird die Entwicklung durch die gesunkene Arbeitslosigkeit und den zum Teil kräftigen Anstieg der Löhne und Gehälter. Das sorgt für höhere Einnahmen der Kassen. Auch steckt der Bund 2009 zusätzlich 1,5 Milliarden Euro in das Gesundheitssystem.

Teurer Ratschlag

Derzeit erhebt jede Krankenkasse einen eigenen Beitrag. Der Schnitt liegt bei etwa 14,9 Prozent des Bruttolohns, wobei der Arbeitnehmer 7,9 Punkte trägt und damit mehr als sein Arbeitgeber. Spekuliert wird allenthalben über einen Satz, der zwischen 15,5 und 15,8 Prozent liegt. Doch auch wenn der neue Beitragssatz am unteren Rand der Schätzungen bleibt, müsste ein Durchschnittsverdiener 2009 etwa 130 Euro mehr an seine Krankenkasse zahlen. Dasselbe gilt für seine Firma. Noch teurer wird es für diejenigen, die den Ratschlag der Politik aus den vergangenen Jahren befolgt haben und sich bei einer Kasse versichert haben, die weniger als der Durchschnitt nimmt. Nur vereinzelt haben die Versicherer bislang angekündigt, Prämien ausschütten zu wollen und die Versicherten damit zu entlasten. Es gibt aber auch Gewinner in der neuen Fondswelt. Wer derzeit einen Beitrag zahlt, der über dem neuen Einheitssatz liegt, profitiert.

Für die Regierungsparteien geht es in diesem Zusammenhang noch um ein größeres Thema. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Summe der Abgaben an die Sozialversicherung unter die Schwelle von 40 Prozent des Bruttolohns zu senken. Auch um dieses Ziel zu erreichen, erhöhte die Koalition die Mehrwertsteuer und lenkte einen Teil der zusätzlichen Einnahmen in die Kassen der Arbeitslosenversicherung.

Ob sie ihr Versprechen hält, hängt davon ab, wie man rechnet. Mehr als 40 Prozent werden es sein, nimmt man die 0,9 Prozentpunkte in die Gleichung, die die Kassenmitglieder alleine zahlen. Gesundheitsministerin Schmidt hingegen legt Wert darauf, dass nur der von Arbeitnehmern und Unternehmen gemeinsam getragene Satz zählt und der werde unter 40 Prozent liegen.

© SZ vom 29.09.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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