Der "Gutbanker":Ein Herz für Pleitiers

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Der Chef der österreichischen Erste Bank gründet ein Geldinstitut für Menschen in Not. Sein Angebot: Ein gratis Girokonto für jene Kunden, die jede andere Bank ablehnen würde.

Wolfgang Simonitsch

In Österreich macht ein neuer Begriff die Runde. "Gutbanker" wird der Chef der Erste Bank, Andreas Treichl, in Anlehnung an das Wort vom "Gutmenschen" in jüngster Zeit öfter genannt.

Erste Bank - Boss Andreas Treichl macht nicht nur gute Geschäfte, sondern eröffnet in Wien auch eine Bank für Pleitiers. (Foto: Foto: Erste Bank)

Denn der 54-Jährige hat eine Bank für jene Menschen gegründet, von denen andere Geldinstitute nichts mehr wissen wollen. Treichls "Zweite Wiener Vereins-Sparcasse" kümmert sich um Menschen, die Insolvenz anmelden mussten und deshalb bei gewöhnlichen Banken auf der "schwarzen Liste stehen.

Dies hat für solcherart vom Schicksal Getroffene etliche Nachteile: Wer kein Konto mehr hat, steigt sozial noch viel schneller ab. Zudem fällt es ohne Bankverbindung ziemlich schwer, einen Job zu finden, weil mögliche Arbeitgeber bei fehlendem Konto häufig skeptisch werden.

Auch selbstverständliche Geldgeschäfte wie die Bezahlung von Miete, Gas oder Strom sind ohne Bank viel komplizierter bis unmöglich, predigt etwa die Caritas seit langem.

Rekordgewinne in Osteuropa

Dies hat Treichl, den Chef der speziell in Osteuropa sehr aktiven Erste Bank, die inzwischen mit einer Bilanzsumme von mehr als 160 Milliarden Euro zum Trio der führenden Wiener Großbanken gehört, zur Tat schreiten lassen.

"Wir sind zwar recht gut beim Geldverdienen. Es aber auch wohltätig auszugeben, müssen wir noch üben", sagte er bei der Eröffnung der "Zweite Bank". Deshalb wird, für Banken recht unüblich, bei diesem Sozialprojekt auch mit Caritas und Schuldnerberatung kooperiert.

Treichl, der bei US-Banken sein Geschäft gelernt hat, galt bislang vor allem als erfolgreichster Banker der Republik - und 2005 mit einem Einkommen von mehr als fünf Millionen Euro auch als Österreichs höchstbezahlter Manager.

Bank für Menschen in Not

Für sein neues Projekt überredete er die "Erste österreichische Spar-Casse Privatstiftung" als Haupteigentümerin der Erste Bank, für die nächsten vier Jahre 5,8 Millionen Euro bereitzustellen, um Menschen in Not zu helfen.

Das Interesse an dieser "Zweiten Sparkasse", die eine eigene Konzession und vor ein paar Tagen die erste Filiale in Wien eröffnet hat, ist groß. Obwohl sich 170 Mitarbeiter und Ruheständler der Erste Bank freiwillig und ohne Bezahlung in ihrer Freizeit daran beteiligen, sind bereits alle Beratungstermine bis Ende Januar ausgebucht.

Mehr als 700 Anfragen potentieller Kunden wurden registriert. Das Kundenpotential dürfte aber noch deutlich größer sein. Schätzungen gehen von einigen zehntausend Personen aus, zumal sich in Österreich derzeit etwa 40.000 Menschen ihr Arbeitslosengeld bar auszahlen lassen.

Betreuung durch Schuldnerberatung oder Caritas

Für Kunden, die sich zu einer Betreuung durch Schuldnerberatung oder Caritas verpflichten müssen, hält die "Zweite Bank" zwei Produkte bereit: Ein Girokonto und ein Sparkonto. Beide sind gebührenfrei.

Das Girokonto erlaubt keine Überziehungen und wird mit 0,5 Prozent verzinst. Pro Quartal ist eine Kaution von neun Euro fällig, die die Kunden nach einer Auflösung des Kontos, allerdings unverzinst, wieder zurückbekommen. Damit sollen Teile der Kosten für Bankauszüge, Überweisungen, Daueraufträge und Geldautomatkarte oder auch Internet-Banking finanziert werden.

Zusätzlich wird ein gebührenfreies, reines Sparkonto geboten. Dieses wird mit 1,625 Prozent jährlich verzinst und erlaubt keine weiteren Transaktionen. Beide Konten sollen zunächst für drei Jahre zur Verfügung gestellt werden. Anschließend soll Hilfe geboten werden, wieder ein normales Bankkonto erwerben zu können.

Für Treichl wächst indes die Gefahr, von der Öffentlichkeit demnächst heilig gesprochen zu werden. Zuletzt haben sich jedenfalls die auf ihn geschriebenen Hymnen gehäuft.

Treichl zeige, dass ein gern klavierspielender, nie mit einem Glas schlechten Rotweins anzutreffender und durchaus glamouröser Banker "die soziale Dimension nicht verliert", schrieb etwa Hans Rauscher, einer der kritischen Kolumnisten Wiens. Treichl sei eben kein kaltschnäuziger Neoliberaler, der seinen Wert daran messe, wie viele Leute er zum Wohl des Aktienkurses gefeuert habe.

© SZ vom 06.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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