Der Fall Landowsky:Als ob nichts gewesen wäre

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Vor sechs Jahren erschütterte die Bankenaffäre Berlin - am Ende des Prozesses ist von der Empörung wenig geblieben.

Philip Grassmann

Es gibt Dinge, die übersteigen manchmal die Vorstellungskraft. Wie trägt man beispielsweise aus 5000 Ordnern den Stoff für einen Prozess zusammen? Welchen Aufwand muss man betreiben, um 148 Ermittlungsverfahren zu einer einzigen Affäre zu bündeln? Und wie viel Geduld braucht man, um in einem Untersuchungsausschuss 80 Meter Akten durchzuarbeiten?

(Foto: Foto: Reuters)

Vor sechs Jahren hat die Bankenaffäre Berlin erschüttert. Die große Koalition ist daran zerbrochen. Der mächtigste Mann Berlins, CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, stürzte, und seine Partei rutschte ab in die Bedeutungslosigkeit. Die öffentliche Empörung war enorm.

Jetzt, am Ende eines der größten Strafverfahren der Republik, nach fast 20 Monaten Prozessdauer und 78 Verhandlungstagen gegen Landowsky, den Vorstandschef der BerlinHyp, und zwölf weitere Manager wegen schwerer Untreue, interessieren sich dafür nur noch Experten. Der Skandal ist zu einem abstrakten Streit um Fachfragen geworden.

Peter Grottian ist ein ziemlich engagierter Mensch. An seinem Hals baumelt eine Lesebrille, die er ab und zu auf die Nase setzt, um die Bedeutung des Gesagten ein wenig stärker hervorzuheben. 2002 hat er eine Bürgerinitiative gegründet. Grottian wollte verhindern, dass aus der Bankenaffäre eine abstrakte Sache wird.

Damals musste das hochverschuldete Berlin für die risikoreichen Geschäfte der landeseigenen Bankgesellschaft eine Bürgschaft von 21,6 Milliarden Euro übernehmen. Sonst hätte die Bankenaufsicht den Laden einfach zugemacht. Fast jeder zweite Berliner hatte bei der zum Konzern gehörigen Sparkasse ein Konto. Man kann sich leicht vorstellen, was dann los gewesen wäre.

Koste es, was es wolle

Sie waren etwa 70 Leute, die dem Filz und der Korruption in der Stadt etwas entgegensetzen wollten. Die erste große Aktion war ein Spaziergang durch den Grunewald zu den Villen der Bankvorstände.

Die Leute sollten sehen, wie die Menschen lebten, die diese Milliardenpleite verursacht hatten. "Das war eine Sternstunde", sagt Grottian. Es gab eine Ausstellung, in der der Skandal erklärt wurde. Es gab ein Volksbegehren, es gab Pressekonferenzen, Flugblätter.

Heute, sagt Grottian, seien sie höchstens noch 15 Leute. Das Volksbegehren wurde am Ende nicht zugelassen. Die Wanderausstellung ist in Kisten verpackt worden, weil es vom Rathaus Schöneberg keine Genehmigung mehr gab, die Tafeln aufzustellen.

Für eine Pressemitteilung musste die Initiative eine Anzeige in einer Berliner Tageszeitung schalten, um noch wahrgenommen zu werden. "Es ist ein gewisser Erschöpfungszustand eingetreten", sagt Grottian. Er selbst hat nur an zwei Tagen den Prozess verfolgt.

An jedem der vielen Verhandlungstage im Landgericht saß Klaus Landowsky stets korrekt gekleidet auf der Anklagebank im Saal 700. Er erinnerte einen dabei oft an die Zeiten, als er, mächtiger CDU-Fraktionschef und einflussreicher Bankier in Personalunion, im Abgeordnetenhaus den Rednern der Opposition zuhörte.

Manchmal schüttelte er trotzig den Kopf, manchmal machte er sich reglos Notizen, manchmal blickte er gelangweilt an die Saaldecke. Es gab aber auch andere Momente. Dann sah er aus wie ein ziemlich müder älterer Mann. In diesen Momenten vermittelte der 64-Jährige eine Ahnung davon, was der Sturz für Spuren in ihm hinterlassen haben muss.

Landowsky selbst glaubt fest daran, dass er freigesprochen wird. Es geht ihm dabei um mehr als um den Unterschied zwischen Recht und Unrecht. "Ich kämpfe um meine Ehre", hat er pathetisch in seinem Schlusswort vor Gericht gesagt.

Als die Staatsanwältin drei Jahre Haft für Landowsky forderte, da war er fassungslos und rief "unglaublich".

Er sieht sich als Opfer einer politischen Intrige, die ihn um Macht und Einfluss gebracht hat. Er dagegen will alle Regeln eingehalten haben, in einem Spiel, in dem es um einige hundert Millionen Euro ging, ein Spiel, das allerdings nur eines von vielen in der riesigen Bankenaffäre gewesen ist.

1995 waren zwei Manager der Firma Aubis bei der BerlinHyp, einer Tochter der Bankgesellschaft, vorstellig geworden, um einen Millionenkredit zu bekommen.

Mit dem Geld wollten sie 16.000 Plattenbauten aufkaufen, sanieren und dann weiterverkaufen. Das Geschäft ging schief, 1999 konnte Aubis die Kredite über 235 Millionen Euro nicht mehr bedienen.

Die Turbulenzen, in die die BerlinHyp dadurch geriet, trugen erheblich zu den großen Finanzproblemen der Bankgesellschaft bei. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft hätten die Kredite nie erteilt werden dürfen.

Diskrete Ratschläge

Die Aubis-Manager, der eine ein ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter, der andere ein Ex-Polizist, hätten weder über die notwendige Erfahrung noch über genügend Eigenkapital für das risikoreiche Geschäft verfügt. Im Kern ging es in dem Verfahren immer wieder um diese eine Frage: Wie groß ist der Handlungsspielraum von Managern, und wann überschreiten sie mit ihren Entscheidungen eine Grenze, die nicht überschritten werden darf?

Die Handlungsspielräume, die Klaus Landowsky in den 30 Jahren seiner politischen Laufbahn für sich in Anspruch genommen hat, sind immer großzügig bemessen gewesen.

Dass er zum Beispiel Vorsitzender der größten Regierungsfraktion war und gleichzeitig Vorstandschef einer Hypothekenbank, hat ihn - im Gegensatz zur Opposition - nie gestört. Auch dass der Lottostiftungsrat, dessen Mitglied er war, dem Promi-Tennisclub Rot-Weiß im Villenviertel Grunewald einen Millionenbetrag überwies, um eine neue Zuschauertribüne zu bauen und so Veranstalter der "German Open" zu werden, findet das Rot-Weiß-Mitglied Landowsky heute noch richtig.

Wenn es früher um Landowsky ging, dann war schnell die Rede vom Strippenzieher, vom "Paten". Er saß in fast allen wichtigen Institutionen des alten Westberlin, er verfügte über ein weitverzweigtes Netz von Beziehungen und er wusste damit umzugehen. Er agierte wie der Betriebsratsvorsitzende der Stadt, der unter dem Beifall der Westberliner darauf achtete, dass sich möglichst nichts änderte - koste es, was es wolle.

Nur einmal hat Landowsky für alle sichtbar eine Grenze überschritten. Das war 1995, als er in seinem Bankbüro eine Barspende über 40.000 Mark an die Berliner CDU von einem der Aubis-Manager entgegennahm. Das war ein klarer, ein eindeutiger Regelverstoß. Der Untersuchungsausschuss zum Bankenskandal hat später festgestellt, die Spende sei "in engem zeitlichen Zusammenhang" mit der Kreditvergabe an Aubis erfolgt. Als der Vorgang 2001 bekannt wurde, begann sein Sturz, und der Bankenskandal nahm seinen Lauf. Aber wie immer das Gericht am Mittwoch urteilt: Das Geld ist weg, die Schulden sind gemacht, die Stadt geht trotzdem ihren Weg.

Heute ist es still geworden um Klaus Landowsky. In seiner Partei hält er sich zurück, Ratschläge gibt er diskret und auch nur, wenn er gefragt wird. Manchmal geht er zu Ausstellungseröffnungen, manchmal sieht man ihn auf Premierenfeiern. Aus seiner Sicht ist die Stadt egoistischer geworden. Kein Vergleich mehr zu früher, wo einer dem anderen stets hilfreich war, wo man sich aufeinander verlassen konnte. Es ist nicht mehr seine Stadt, im doppelten Sinne.

Für den Tag der Urteilsverkündung hat sich Peter Grottian vorgenommen, vor dem Landgericht zu demonstrieren. Er will noch einmal ein Zeichen setzen, und er hofft, dass er genügend Leute zusammenbekommt. Grottian und Landowsky werden sich vielleicht im Gerichtssaal sehen, der eine auf der Zuschauer-, der andere auf der Anklagebank. Je nach Ausgang wird die Aufregung bei einem der beiden heftig sein. Aber für die Stadt wird das keine große Rolle mehr spielen.

© SZ vom 20.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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