Den Börsen droht der Crash:Ein Drama - keine Kleinigkeit

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Die Welt der Wirtschaft besteht aus Auf und Ab - wenn es einmal richtig heruntergegangen ist, dann kann eigentlich mit einer neuen Gipfeltour nichts mehr schief gehen. Es ist freilich eine Frage des Vertrauens, wann der Tiefpunkt erreicht ist.

Hans-Jürgen Jakobs

Im Fall der aktuellen weltweiten Finanzkrise muss von weiteren Eruptionen ausgegangen werden. Wie im Rausch haben größenwahnsinnige Bankmanager über Jahre hinweg Kredite für windige Projekte vergeben: für höchst unsichere Immobilienkäufe in den USA und für gewagte Übernahmen von Firmen, deren Wert völlig überschätzt wurde. Risiken wurden im weltweiten System weitergereicht.

Es ist die gleichzeitige Krise bei den Hypotheken-Krediten und im Geschäft der Private-Equity-Gesellschaften, die manisch Deals machen, die in diesen Wochen Angst schürt. Es ist eine Doppel-Blase, die hier platzen wird.

Das Prinzip Hoffnung

Bislang ist alles noch recht glimpflich abgegangen. Größere Abstürze der Börsen unterblieben, es herrscht das Prinzip Hoffnung. Es könnte das meiste ja verarbeitet sein, wenn Institute wie die Deutsche Bank oder UBS Belastungen durch die Krise einräumen und ihre Bilanzen korrigieren. Ist es nicht ein gutes Zeichen, wenn eine in Not geratene Industrie-Kreditbank (IKB) durch den solidarischen Einsatz der Geldhäuser ebenso gerettet werden konnte, wie die konfuse SachsenLB im Kreise der öffentlichen Landesbanken durch die noch voll handlungsfähigen Kollegen in Stuttgart? Und sind die Börsenkurse nicht wieder nach oben gegangen?

Gemach. Die Last der Milliarden-Abschreibungen dürfte größer sein, als bisher zu erahnen ist. Das ganze Debakel ist nicht transparent. Selbst viele Banker sind derzeit im Privatleben vorsichtig mit Aktien; vielfach wird von Geldanlagen in Luxus-Immobilien und Kunst berichtet. Was droht hier noch?

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Zinssenkungen kaum etwas ausrichten können.

Sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) räumt jetzt ein, dass in den nächsten Monaten "wahrscheinlich viele Märkte und Institutionen weiter vor einer Herausforderung stehen". Rückschläge seien möglich, der Anpassungsprozess der Märkte brauche Zeit. Die Sprache der Volkswirtschaftler ist höflich, aber sie ist eindeutig: Als Konsequenz nimmt der IWF die prognostizierten Wachstumsraten für die Weltwirtschaft und Staaten wie Deutschland zurück. Und der US-Finanzminister Hank Paulson warnt, der Verfall der Preise für Häuser beeinträchtige das Wirtschaftswachstum "noch über einige Zeit hinweg".

Kollektives Misstrauen im System

Zu den Anpassungen nach kapitalen Schocks gehört die Vorsicht bei der Vergabe von Krediten. Da können auch Zinssenkungen der Zentralbanken nichts helfen. Wenn gebrannte Banker nun das Feuer scheuen, fehlt Firmenchefs womöglich günstiges Geld, um eine Maschine zu bestellen - und Familienvätern dürfte es schwerer fallen, das neue Häuschen zu finanzieren. Es ist Misstrauen im System. Wie viele Milliarden sind verbrannt worden? Wen wird es noch erwischen?

Selbst die derzeit relativ günstigen Finanzdaten bieten keine Gewähr auf Optimismus. Denn große Krisen in der Vergangenheit zeigen, dass kurz zuvor die Kurse noch schön angezogen hatten - der Fall war dafür umso heftiger.

Noch reicht das Instrumentarium der Politiker nicht, um globale Störungen im Finanzmarkt zu bekämpfen. Die Anlagepolitik von Hegde-Fonds beispielsweise, die mit ihren Milliardenströmen Märkte und Nationen beeinflussen können, ist nicht klar erkennbar. Ein Selbstausweis der Risiken fehlt. Es bleibt nebulös.

Überall gibt es Anzeichen für einen Crash - aber noch gehört es zum guten Ton, sie zu verdrängen oder zu verschweigen. Die Online-Broker haben weniger zu tun, weil Privatanleger das Zittern bekommen. Investmentbanken zahlen ihren einst gehätschelten Fondsmanagern geringere Boni, aus den Stars von früher wurden Hasardeure. Regierungen beraten Notpläne.

In Großbritannien wurde - aus politischen Gründen - die Pleite der maroden Bank Northern Rock gerade noch verhindert. Die Kunden des Baufinanzierers waren nervös geworden. Das war der Holzmann-Effekt. So wie der deutsche Baukonzern nach einer Intervention des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder am Ende nicht gerettet werden konnte, genauso könnte sich Northern Rock auf ewig nicht halten.

Die nächste Panne kommt bestimmt. Mit dem Kollaps einiger Institute ist zu rechnen. Banken fusionieren weiter und werden noch größer. Und wenn die Kurse dann einmal richtig in der Grube sein werden, dann werden Aktien auch wieder populär. Aber davor liegt das Leid mehrerer Monate.

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