Deckenheizungen:Und trotzdem warme Füße

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Wie in einer Münchner Wohnsiedlung die Wärme von oben kommt.

Ingrid Weidner

Wenn Interessenten eine Wohnung in der Siemens-Siedlung im Münchner Süden besichtigen, reagieren viele mit Stirnrunzeln, sobald sie von dem ungewöhnlichen Heizungssystem hören. "Für neue Mieter ist es überraschend, dass sich die Wohnung von oben erwärmen soll. Aber bei den üblichen Deckenhöhen von 2,5 Metern hat das System keine Nachteile gegenüber anderen Heizungen", sagt Torsten Kehr von der Siemens-Wohnungsgesellschaft (SWG) in München. Selbst Kronleuchter lassen sich an den Decken anbringen.

So kann das Modell einer Deckenheizung aussehen. (Foto: Foto: Janßen)

Zwischen 1952 und 1954 entstand in Obersendling die sogenannte Siemenssiedlung. Das Ensemble mit zahlreichen Straßenzügen und zwei 17-geschossigen Hochhäusern wurde nach den Plänen des Architekten Emil Freymuth gebaut und steht inzwischen unter Denkmalschutz.

Gutes kommt von oben

Eine Besonderheit der Gebäude ist die Deckenheizung. Das ungewöhnliche System war keine Siemens-Entwicklung. In der Wohnanlage wurden in den drei- und viergeschossigen Gebäuden Einrohrring-Heizungen installiert. Der Heizkreis durchläuft jeweils vier bis sechs Wohnungen. In den zwei 17-geschossigen Sternhäusern gibt es sogenannte Deckenstrahlheizungen. "Der Aufbau ähnelt dem einer Fußbodenheizung, nur dass die Installation eben in der Wohnungsdecke erfolgte", sagt Kehr.

In den Wohnhäusern wurden die Gesetze der Physik keineswegs außer Kraft gesetzt. Auch dort steigt die warme Luft nach oben. Damit das Heizungssystem keine Fußbodenheizung für die darüberliegende Wohnung darstellt, wurde oberhalb der Rohre eine reflektierende Folie installiert. Vor einigen Jahren hat man Fassaden und Deckenrohre grundlegend modernisiert.

Exotische Lösung

Joachim Plate, Geschäftsführer des Bundesverbands Flächenheizungen und Flächenkühlungen in Hagen, hält Deckenheizungen heute für eine exotische Lösung. Seiner Meinung nach spielten in den experimentierfreudigen 50er und 60er Jahren Energie- und Heizkosten in Häusern noch keine große Rolle.

Doch inzwischen erlebt die Deckenheizung eine kleine Renaissance. Am Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik der Technischen Universität München (TUM) laufen Vorbereitungen für ein Projekt, das sich mit der Bauteilaktivierung im Wohnungsbau beschäftigt. "In gut gedämmten und isolierten Häusern kann ein Heizungsrohrnetz in der Decke durchaus eine attraktive Alternative sein", meint der Diplom-Ingenieur Christoph Huber von der TU München. In Büros wird die Technik bereits häufig eingesetzt.

Auch gleich für die Kühlung

Nach Ansicht des Experten lässt sich ein so ausgestatteter Raum im Sommer über das gleiche Rohrsystem kühlen.

Ein weiterer Vorteil ist die "innere Wärmegewinnung": Halten sich in einem Raum viele Menschen auf oder entsteht während des Kochens zusätzliche Hitze, kann diese Energie in den Kreislauf des Heizsystems einfließen und andere Zimmer heizen. "Die Bauteilaktivierung ist im Kommen, vor allem, weil sie kostengünstig ist", sagt Huber. In der Schweiz zählt dieses System keineswegs zu den exotischen Heizsystemen. Von dort kommt die Idee zurück nach München.

© SZ vom 11. 01. 2008/als - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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