Das Rucksackhaus:Die Immobilie zum Mitnehmen

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Sesshaft waren wir gestern, heute sind wir flexibel. Und damit nicht immer die lieb gewonnenen vier Wände zurückgelassen werden müssen, gibt es nun den Wohnraum, der mitzieht und sich ans neue Haus hängt.

Christa Eder

"On the road" und gleichzeitig "Rückzug in die Höhle" heißen die zwei Paralleltrends, die unsere Wohnkultur künftig bestimmen werden. Das behauptet zumindest Zukunftsforscher Matthias Horx.

Vorbei die Zeiten, in denen man jahrelang auf ein und demselben Fleck lebte. Arbeitsplatz und Wohnortswechsel prägen heutzutage die Lebensläufe. Wandertaugliches Mobiliar kennt der Wohnnomade ja schon. Fehlt noch die mobile Immobilie.

Da kann der Münchner Künstler Stefan Eberstadt helfen. Er hat einen Wohnbehälter entworfen, der einfach vor das Haus geschnallt wird und bei einem Umzug wieder mitgenommen werden kann. Rucksackhaus nennt er seinen neun Quadratmeter großen Wohnbehälter. "Der Raum ist zur freien Nutzung", sagt Eberstadt, "alles ist denkbar. Stauraum, Gästezimmer, Wintergarten".

Der würfelförmige Kubus ist eine Art begehbare Skulptur, mit ausklappbaren Einrichtungsgegenständen. Er ist in Skelettbauweise und Stahlkonstruktion errichtet und besteht außen aus Wasser abweisendem Betoplan, (kunststoffbeschichtetes Holz) und innen aus Birkensperrholz. In die "Höhle" gelangt man über das Fenster am Haus.

Der 1,6 Tonnen schwere Würfel ist an Stahlseilen am Haus aufgehängt und funktioniert wie ein Parasit, der an seinem Wirt hängt. Vom Haus wird er mit Strom oder Heizung versorgt. Eine Toilette oder Wasserversorgung gibt es nicht. Für einige Wochen hing Eberstadts mobile Raumerweiterung in Leipzig und zur Zeit an einem Wohn- und Bürohaus in Köln in der Aachenerstraße, im nächsten Frühjahr soll es, im Rahmen der Architekturwoche A3 in München installiert werden.

Für Eberstadt ist die Aktion ein Experiment. Es ging ihm darum ausloten, was zumutbar sei und von der Öffentlichkeit angenommen werde, sagt er. Nachdem die Installation großes Aufsehen erregt hat und der Zuspruch groß war, soll der Entwurf demnächst in Serie gehen. Die Verhandlungen laufen noch.

Am meisten dürfte wohl das etwas andere Raumgefühl faszinieren. "Man schwebt im öffentlichen Raum". Und das aus der ganz privaten Warte aus.

Das "Anschnallen" des Rucksacks dauert vier bis fünf Stunden. Per Autokran mit Hebebühne werden die angebrachten Dorne am Kubus in vorgebohrte Löcher an der Fassade gesteckt. Die Box hängt dann an Stahlseilen, die über das Dach geleitet und an der rückwärtigen Fassade fixiert werden.

Für das Rucksackhaus braucht man, wie für jedes andere Bauvorhaben auch eine Genehmigung. Jedes Gebäude wird statisch geprüft und die Eigentümergemeinschaft, der Hausbesitzer oder die Verwaltung müssen der Maßnahme zustimmen. Je nach Ausstattung ist die Wohnbox ab circa 25.000 Euro zu haben. Hinzu kommen die Kosten für die Genehmigung und Montage mit maximal 10.000 Euro.

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