Corporate Architecture:Auf die Marke gebaut

Lesezeit: 2 min

Ob auf Briefkarten, Visitenkarten oder spektakulären Bauten: Unternehmen finden zahlreiche Wege ihre Marke zu präsentieren.

Oliver Herwig

BMW macht es, BP, Issey Miake, Benetton und Starbucks ebenso. Große Marken feilen an ihrem Erscheinungsbild wie Models an ihren Nägeln. Sie tüfteln an Briefköpfen und Visitenkarten, am Logo und der Hausschrift. Kein Wunder, dass auch Architekten am Geschäft mit der Marke beteiligt sind. Corporate Architecture ist ein globales Geschäft, ein ziemlich gutes sogar, denn nur wenige beherrschen die Kunst, Markenbilder in die dritte Dimension zu übertragen. Dafür liefern sie spektakuläre Bauten.

Shoppen als Showeinlage

Das Büro Coop Himmelb(l)au lässt die BMW-Markenwelt über dem Mittleren Ring als stählerne Gewitterwolke niedergehen, Delugan Meissl stemmt für das Porsche-Museum tonnenweise gezackten Beton in die Luft, und selbst Architekturphilosoph Rem Koolhaas schuf für Prada New York den ultimativen Laden: Shoppen als Showeinlage in einer hölzernen Arena, halb Halfpipe, halb Boxring. Die Besten sind gerade gut genug für die Inszenierung. Wenn es dabei eine goldene Regel gibt, dann diese: Du sollst nicht langweilen.

Markenarchitektur ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Bereits Peter Behrens schmiedete im Jahr 1907 als künstlerischer Beirat der AEG das Erscheinungsbild der Firma, Richard Rogers packte den Londoner Versicherer Lloyd's in eine Raffinerie mit Röhren und Zuleitungen, und die Künstler- und Architektengruppe SITE entwarf Einkaufszentren als schockierende Ruinen.

Du sollst nicht langweilen

Mal fehlte eine ganze Ecke, mal schien das Mauerwerk über dem Eingang einzubrechen. Alles ist erlaubt, Hauptsache, die Leute schauen hin. Kein Wunder, dass viele Kulturkritiker Labels als Religionen unserer Zeit brandmarken.

Corporate Architecture ist ein Erfolgsmodell der Moderne. Immer mehr Bereiche werden gestalterisch durchgemodelt. Und die Ansprüche steigen. Was vor 30 Jahren noch die Ausnahme bildete, ist längst Standard. Kaum eine Firma, die nicht an neue Showräume denkt, an glitzernde Pavillons oder eine repräsentative Konzernzentrale.

Bauen ist Kommunikation

Der Überbietungswettkampf formt die Sprache ihrer Gestalter. Hamburgs Star-Architekt Hadi Teherani, der unter anderem für die Deutsche Vermögensberatung AG sowie die Münchner Vertretung des Rückversicherers Swiss Re baute, untermauert seinen gestalterischen Anspruch mit Marketingfloskeln: "Traditionelle Formen der Kundenansprache genügen nicht mehr, um sich auf einem globalen Marktplatz zu behaupten."

Bauen sei Kommunikation, sagen Vertreter der Markenwelten. Mit ihrem globalen Erfolg wächst freilich auch die Kritik an inszenierten Orten. Architekturtheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani wettert seit Jahren über die laute, sinnentleerte Sprache der Konzerne, Kulturpessimisten klagen über visuelle Umweltverschmutzung, und Soziologen fürchten den Verfall des öffentlichen Raums zwischen immer neuen Auslieferungszentren, Showflächen und Dienstleistungsarealen.

Naomi Kleins Pamphlet "No Logo!" wurde sogar zum Schlachtruf einer ganzen Generation von Globalisierungskritikern. Branding habe große Ähnlichkeit mit einem Ballon, spottet Klein: "Es lässt sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit aufblasen, enthält jedoch nichts als heiße Luft." Ist Markenarchitektur womöglich nur eine Fata Morgana, ein Luftschloss mit Verfallsdatum?

Ein Luftschloss mit Verfallsdatum

Mike Meiré lächelt. Der prominente Art Director unterscheidet zwischen Markenentwicklern und Markenverwaltern. Letztere führten sklavisch aus, was in irgendwelchen Richtlinien beschlossen wurde. Für Kreativität bleibe da kaum Raum. Immer wieder aber gelingt es Architekten, sich über enge Vorschriften hinwegzusetzen, gleich, ob sie in einer Gestaltungsrichtlinie des Bauherren stehen oder im Bebauungsplan einer Gemeinde. Gute Baumeister sprengen allzu enge Regeln und suchen das Einmalige, das Besondere.

Zu viel Show wird schnell langweilig

Das gefällt Unternehmen und Bürgern, nicht aber Stadtplanern, die Markensolitäre fürchten wie Geschäftsleute grölende Rowdys in der Einkaufsstraße. Zu viele selbstverliebte Bauten sprengen die Zeile und kündigen die Gemeinschaft mit anderen Gebäuden auf. Zukünftige Leitbilder für Firmenarchitektur sollten bedenken, dass nur ein Dom in der Stadt Platz hat und ein Rathaus. Das ist die Kehrseite des spektakulären Überbietungswettstreits: Zu viel Show wird schnell langweilig.

Literatur zum Thema: Jons Messedat: Corporate Architecture. Entwicklung, Konzepte, Strategien. Avedition, Stuttgart, 2005. 248 Seiten, 69,90 Euro.

© SZ vom 2.7.2008/jw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: