Commerzbank: Blessing tritt an:Dreifache Bürde für den Neuen

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Der neue Commerzbank-Chef Martin Blessing hat eine prominente Familie, einen dominanten Vorgänger - und ein großes Problem.

Martin Hesse

Manchmal schnurrt die hochkomplexe Bankenwelt in einem einzigen Namen zusammen und wird dann ganz einfach. Ein solcher Name ist Martin Blessing. An diesem Donnerstag löst der 44 Jahre alte Manager Klaus-Peter Müller als Chef der Commerzbank ab. Ein an sich unspektakulärer Vorgang, zumal Müller in alter wie umstrittener Tradition direkt an die Aufsichtsratsspitze rückt, wo er Martin Kohlhaussen ablöst, den er 2001 schon als Vorstandschef beerbte. Business as usual.

Martin Blessing übernimmt das Kommando bei der Commerzbank. (Foto: Foto: dpa)

Die Familie regelt's

In den kommenden Monaten aber könnte sich um diesen Martin Blessing herum die deutsche Bankenlandschaft neu ordnen. Und im Grunde könnte das die Familie des Martin Blessing weitgehend unter sich regeln.

Das würde dann so aussehen: Seine Frau Dorothee, Partnerin bei der Investmentbank Goldman Sachs, überzeugt Allianz-Chef Michael Dieckmann davon, die Tochter Dresdner Bank mit der Postbank und der Commerzbank in ein Dreierbündnis zu bringen. Schwager Carl Wieandt würde das Projekt als Partner bei McKinsey flankierend beraten. Schwager Axel Wieandt müsste als Konzernstratege bei der Deutschen Bank seinem Chef Josef Ackermann einflüstern, dass es für den Primus im Lande besser wäre, sich aus alledem herauszuhalten.

Am Ende stünde Martin Blessing an der Spitze der mit Abstand größten deutschen Privatkundenbank, die endlich im Wettbewerb mit Sparkassen und Volksbanken bestehen könnte. Es ist nur eine Fiktion, aber sie erzählt nicht nur viel über den Finanzplatz Deutschland, sondern auch über die Ambitionen des Bankers Blessing - und über seine Bürde.

Enges Netzwerk in der Finanzgemeinde

Zum einen schleppt Blessing eben diese Banker-Familie mit sich herum. Einerseits erleichterte es ihm der Stammbaum, ein enges Netzwerk in der Finanzgemeinde zu knüpfen. Zumal sein Vater Werner Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bank und sein Großvater Karl einst Bundesbankpräsident war. Andererseits waren die Erwartungen an Martin Blessing, diese Dynastie fortzuschreiben, stets groß. Mit dieser Bürde aber lebt Blessing schon seit 44 Jahren und es hat ihn nicht gehindert, eine Musterkarriere hinzulegen: Banklehre bei der Dresdner Bank, Studium in Frankfurt, St. Gallen und Chicago, mit 31 Partner bei McKinsey in New York. Als Banker ging Blessing zunächst wieder zur Dresdner, 2001 stieß er zur Commerzbank, zunächst als Vorstand für das Privatkunden- und dann für das Mittelstandsgeschäft. Für den sehr ehrgeizigen Blessing war die Familie eher zusätzlicher Ansporn als Belastung, sagt einer, der ihn lange kennt. Wegbegleiter wie Konkurrenten loben Blessing als großen Analytiker und kühlen, strategischen Kopf.

Lesen Sie weiter, warum der neue Bank-Chef persönliche Ambitionen zurückstellen muss

All das wird Blessing jetzt brauchen, will er nicht schon nach wenigen Monaten als Verlierer dastehen. Und das ist die eigentliche Bürde, mit der Blessing antritt: Einerseits kämpft die Bank selbst noch mit den Folgen der Finanzkrise, andererseits werden die Kräfteverhältnisse in Deutschland neu geordnet. Blessing habe großen Ehrgeiz, sich im Ringen um die Postbank durchzubeißen, obwohl die Commerzbank kleiner und schwächer ist als die Konkurrenten Allianz und Deutsche Bank. Er muss jedoch auch kühlen Kopf bewahren, um dafür nicht einen zu hohen Preis zu zahlen. Und womöglich muss er sogar seine persönlichen Ambitionen zurückstellen, um eine große deutsche Bankenfusion zu ermöglichen, die schon so oft scheiterte. Selbstverständlich geht man bei der Commerzbank davon aus, dass es ihr Chef wäre, der eine fusionierte Bank führt. Doch bei der Post sähe man gerne Postbankchef Wolfgang Klein an der Spitze, der ein ähnlich junges Team ehrgeiziger Banker führt wie Blessing bei der Commerzbank.

Der Amtsantritt Martin Blessings steht auch für den Generationswechsel in den deutschen Banken. Damit ist eine weitere Bürde des neuen Chefs angesprochen. Denn natürlich wird Blessing vor allem an Klaus-Peter Müller gemessen werden. Jenem Müller, der die Bank von einem Pleite- und Übernahmekandidaten wieder zu einem selbstbewussten Konzern aufbaute; der als charmanter Kommunikator glänzte und zum Sprecher für den Finanzplatz Deutschland aufschwang; und über den der frühere Bundespräsident Roman Herzog kürzlich bei einem Führungskräftetreffen der Bank sagte: "Er ist einer der ganz wenigen, denen ich vertraue."

Es wird eine Weile dauern, bis ein Ex-Präsident das über den neuen Chef sagt. Die große Geste, der politische Auftritt, das war bisher nicht die Sache des Martin Blessing - musste es aber auch nicht. Zu einem Problem könnte werden, dass Müller als Aufsichtsratschef weiterhin nicht nur den Auftritt der Commerzbank nach außen prägt, sondern auch intern die Richtung vorgeben will. Zwar loben Blessings Weggefährten im Vorstand ihn als Teamplayer. Aber der starke Kapitän, das möchte er jetzt schon sein.

© SZ vom 15.05.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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