Chinesische Börse:Kleinanleger sorgen für Aktienboom

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Chinesische Aktienkurse schießen in den Himmel wie junger Bambus. Anders als im Westen dominieren dabei Investitionen der Kleinanleger das Parkett. Inzwischen mehren sich Warnungen vor einem Platzen der Blase

Der Boom der chinesischen Börsen hält an - und Chinas Anleger scheinen sämtliche Warnungen zu überhören. Nach Gewinnmitnahmen verzeichneten die Börsen von Schanghai und Shenzhen am Freitag zwar leichte Verlusten. Der Shanghai Composite Index verlor 28 Punkte und schloss mit 4021,68 Zählern. Doch unter dem Strich bleibt auch nach dieser Woche ein Plus von fast fünf Prozent.

Der Shanghaier Index liegt mittlerweile über der Marke von 4.000. (Foto: Foto: AFP)

Seit zwei Monaten schießen die chinesischen Aktienkurse in den Himmel wie junger Bambus. Am Mittwoch schloss der Schanghaier Index erstmals über der psychologisch wichtigen Marke von 4000 Punkten - keine acht Wochen nachdem er zum ersten Mal die 3.000er-Marke überschritten hatte. Für das laufende Jahr entspricht das einem Kurssprung von 50 Prozent.

Marktteilnehmer machen dafür das Ende der landesweiten Ferienwoche Anfang Mai verantwortlich: Viele Anleger haben die Feiertage genutzt, um Geld für Aktien auszugeben. Vor allem die Papiere der großen Staatsbetriebe, von Banken, Telekommunikationsfirmen und Stahlunternehmen stützten den Höhenflug der vergangenen Tage.

Viele Jahre lang waren Chinas Börsen die Problemkinder der globalen Finanzmärkte. Während die Volkswirtschaft das größte Privatisierungs- und Wachstumsprogramm der Welt hinlegte und damit Wirtschaftsgeschichte schrieb, dümpelten die Börsen von Schanghai und Shenzhen scheinbar unbeeinträchtigt vor sich hin.

Feuerwerk der Emissionen

Noch im Jahr 2005 sank die Marktkapitalisierung um 25 Prozent. "Über drei Viertel der Anleger verlieren Geld", hieß es damals in einer Studie des China Securities Journal. Niemand konnte die Lustlosigkeit der Anleger vollständig erklären.

Im vergangenen Jahr schlug das Phänomen ins Gegenteil um. Der Schanghaier Index kletterte im Verlauf des Jahres um 130 Prozent. Ein wahres Feuerwerk der Erstemissionen begeisterte die Investoren: 137 Notierungen erreichten ein Volumen von über 47 Milliarden Dollar.

Anders als bei den meisten entwickelten Aktienmärkten dominieren die Kleinanleger in China das Geschehen auf dem Parkett. Und die ständig neuen Rekordmeldung haben im Land eine bisher beispiellose Börsenbegeisterung ausgelöst. Allein im vergangenen Monat wurden 4,8 Millionen neue Depots für den inländischen Aktienhandel eröffnet - so viele Erstanleger hatte es in den vergangenen zwei Jahren zusammen nicht geben.

Warnungen vor dem plötzlichen Bonanza-Ende

Zunehmend investieren auch die Angehörigen niedriger Einkommensgruppen, Bauern, Studenten und Rentner, ihre Ersparnisse in Aktien. Optimisten begründen die Marktentwicklung mit der soliden Ertragslage der börsennotierten Unternehmen, die ihre Profite im ersten Quartal beinahe verdoppelt haben. Die nächste Zielmarke liegt bei 5.000 Zählern.

Im kommenden Monat könnte der Index um weitere 25 Prozent zulegen, heißt es in einem Bericht der Standard Chartered Bank, wobei sie vorsichtshalber anfügt: "Vorausgesetzt, dass nichts passiert."

Die Warnungen vor einem plötzlichen Ende der Bonanza nehmen zu. Vergangene Woche sprach Zentralbankgouverneur Zhou Xiaochuan bereits von einer "wachsenden Blase".

Morgan Stanleys China-Chefökonom Xie Guozhong äußerte Sorge über die langfristige Wirtschaftsentwicklung und die soziale Stabilität des Landes. "Es gibt Anzeichen dafür, dass der Aktienmarkt außer Kontrolle geraten ist", sagte Zuo Xiaolei von der China Galaxy Securities.

Anleger haben nicht genug

Bereits Ende Februar verlor der Shanghaier Composite Index an einem Tag 8,8 Prozent. Der größte Kurseinbruch der vergangenen zehn Jahre löste eine weltweite Schockwelle auf den internationalen Kapitalmärkten aus. Doch die chinesischen Anleger haben immer noch nicht genug - zumal es derzeit nirgendwo Anlageformen mit vergleichbaren Renditen gibt.

Auch Regierung in Peking beobachtet die Entwicklung mit wachsender Sorge. Um den inländischen Aktienmarkt etwas abzukühlen, erlaubt die staatliche Finanzaufsicht jetzt erstmals chinesischen Banken, innerhalb bestimmter Grenzen in ausländische Aktienmärkte zu investieren.

Außerdem versuchen die chinesischen Staatsmedien die Börseneuphorie abzukühlen. Am Mittwoch berichtete die Nanjing Morning Post über einen Rentner, der seine gesamten Ersparnisse in Höhe von 60.000 Yuan (umgerechnet etwa 6.000 Euro) in Aktien investiert hatte - "obwohl er bereits vor zwei Jahren bereits zwei Drittel seiner Investitionen verloren hatte". "Wenn die Blase platzt, wird der Schmerz groß sein", schrieb die Tageszeitung China Daily.

© SZ vom 12.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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