Chaos an den Finanzmärkten:Cash und Crash

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Rettungspaket für den Euro, bestandene Stresstests für Finanzkonzerne - und dennoch scheint es möglich, dass Banken kollabieren und das Finanzsystem zerstören. Regierungen und Regulierer haben zwar viel getan, um Banken stabiler zu machen - doch entscheidende Webfehler im Finanzsystem sind nicht behoben.

Martin Hesse

Keine Übung ist so lehrreich, wie der Ernstfall. Das wissen Sportler, Schüler, Soldaten - und spätestens jetzt auch Banker. Vor nur vier Wochen hat die europäische Bankenaufsicht die Ergebnisse ihres Stresstests für Finanzkonzerne veröffentlicht. Nur acht von 91 Banken fielen durch, das galt als Beleg für den robusten Zustand des europäischen Finanzsystems. Als eine Woche später die EU-Staaten einen neuen Rettungspakt für den Euro beschlossen, schien man beruhigt in die Sommerpause gehen zu können.

Die Bankenskyline von Frankfurt am Main. (Foto: ag.ddp)

Seitdem haben Aktien der Société Générale 42 Prozent verloren, die Deutsche Bank hat sich um ein Viertel verbilligt, die Mutter der Hypovereinsbank, Italiens Unicredit, ist 30 Prozent weniger wert. An den Börsen wird spekuliert, ob große europäische Banken pleite gehen können. Drei Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ist von einem neuen Lehman-Moment die Rede: Eine Situation scheint möglich, in der Banken kollabieren und das Finanzsystem zerstören. Wie kann das sein?

Nach dem 15. September 2008 waren sich Politiker - von Angela Merkel bis zum damaligen US-Präsidenten George Bush - einig, dass es nie mehr zu einem Lehman-Moment kommen darf. Jetzt zeigt sich, dass Regierungen und Regulierer zwar seitdem viel getan haben, um Banken stabiler zu machen - doch entscheidende Webfehler im Finanzsystem sind nicht behoben.

Nach dem Lehman-Kollaps haben sich Regulierer stark darauf konzentriert, Banken dickere Kapitalpolster zu verordnen. Das war richtig, Kreditinstitute können heute höhere Verluste verkraften als vor drei Jahren.

Doch über die Fixierung auf das Kapital ist ein zweites Problem aus dem Blick geraten: Lehman und Hypo Real Estate scheiterten letztlich daran, dass sie sich kurzfristig kein Geld mehr leihen konnten. Solche Liquiditätsprobleme drohen jetzt wieder. Zwar müssen Banken heute auch mehr Geldreserven halten, doch noch immer ist die Finanzierung für viele Institute ein wunder Punkt.

Allerdings ist es sinnlos, Risiken völlig ausschalten zu wollen, indem man Kapital- und Liquiditätspuffer unendlich ausweitet. Es ist gerade die Aufgabe von Banken, Risiken von Firmen und Bürgern zu übernehmen. Können sie das wegen zu strenger Regeln nicht rentabel tun, ist niemandem gedient.

Es muss also vor allem darum gehen, Flächenbrände zu verhindern, wie sie jetzt wieder drohen. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens sind Banken noch immer zu groß und vor allem zu stark miteinander verflochten, als dass man ein größeres Institut fallen lassen könnte.

Zwar haben Deutschland und andere Staaten Gesetze geschaffen, die eine geordnete Abwicklung von Banken erlauben sollen. Doch sollte diese Abwicklung zum Teil aus der neuen Bankenabgabe finanziert werden. Der Topf ist aber noch ziemlich leer. Außerdem gibt es kein international abgestimmtes Verfahren, um globale Konzerne wie die Deutsche Bank oder Société Générale abzuwickeln.

Zweitens haben die Banken-Dompteure die enge Verflechtung von Staaten und Banken außer Acht gelassen. Jedes größere Kreditinstitut ist ein wichtiger Gläubiger seiner nationalen Regierung. Nun, da die Staatsschuldenkrise eskaliert, droht diesen Gläubigern in Griechenland, Italien und anderswo ein Zahlungsausfall. Das Erpressungspotential der Finanzkonzerne ist größer denn je.

Lösen lässt sich dieses Problem nicht auf die Schnelle. Langfristig aber müssten Banken ihre Rolle als Vermögensverwalter aufgeben, der Kundeneinlagen in Staatsanleihen, Aktien und andere riskante Wertpapiere steckt. Das sollen unabhängige Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter übernehmen, für die im Zweifel kein Staat haftet.

Würden sich Banken auf ihre Rolle als Kreditgeber, Kapitalvermittler und Berater beschränken, müsste einem vor fiktiven und echten Crashtests weniger bange sein.

© SZ vom 12.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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