Börsenplatz London:Liebesgrüße aus Moskau, Eifersucht in New York

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Allem Regenwetter zum Trotz bevorzugen russische Konzerne den Börsenplatz London - die Amerikaner finden das anrüchig und sprechen von zu laxen Regeln.

Andreas Oldag

Der Countdown für einen der weltweit größten Börsengänge seit Jahresbeginn läuft. Im Mai will die VTB, das zweitgrößte Geldhaus Russlands, an der Londoner Börse starten.

Wie das russische Blatt Vedomosti berichtet, möchte das Institut bis zu sechs Milliarden Dollar einnehmen. Rund zwei Drittel der auszugebenden Aktien sollen an ausländische Investoren gehen.

Ein weiteres Listing ist in Moskau vorgesehen, doch soll die Londoner Börse LSE der wichtigste ausländische Handelsplatz sein - nicht die New York Stock Exchange, die ebenfalls in der Diskussion war.

Coup gelungen

Damit ist der LSE-Chefin Clara Furse ein Coup gelungen; es ist nicht der erste. Russische Firmen stehen Schlange für eine Notierung in London und bescheren der LSE üppige Einnahmen.

Bereits im vergangenen Jahr konnte London den Börsengang des russischen Erdölkonzerns Rosneft mit einem Platzierungsvolumen von acht Milliarden Euro feiern.

Doch hinter den Kulissen der City wächst die Kritik an der LSE. Banker warnen die ehrgeizige Börsen-Lady Furse davor, dass sie Unternehmen aus Russland, aber auch aus China, zu leichtfertig die Tür für eine Notierung an Europas größtem Finanzplatz öffne.

Knallharter Konkurrenzkampf

Die strengen Kriterien für eine Börsennotierung gehen auf der Jagd nach Marktanteilen und angesichts des knallharten Konkurrenzkampfes zwischen den großen Börsengesellschaften allzu rasch über Bord.

Ohnehin ist die LSE bekannt dafür, dass sie aggressiv um Firmen wirbt, die beispielsweise an der Wall Street nur mit spitzen Fingern angefasst werden.

Böse Zungen behaupten, dass die Attraktivität des Finanzplatzes London auch darauf zurückzuführen ist, dass das Geldwäschegesetz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten erheblich verschärft worden ist und Firmen, die nicht gerade den besten Leumund haben, nun nach London ziehen.

Schlagzeilen im vergangenen Herbst

Dies gilt vielleicht auch für die VTB. Das Unternehmen firmierte bis vor kurzem unter dem Namen Vneshtorgbank und machte im vergangenen Herbst Schlagzeilen, als es etwa fünf Prozent am Luft- und Raumfahrtkonzern EADS übernahm.

Geführt wird das Geldhaus vom ehemaligen Diplomaten Andrej Kostin. Dem 48-jährigen weltgewandt auftretenden Manager werden in Medienberichten Verbindungen zu einem Kreis ehemaliger KGB-Offiziere nachgesagt, die noch heute großen Einfluss auf die Bankgeschäfte haben sollen. Die Eigentümerstruktur sei höchst undurchsichtig, meinen Analysten in der City.

Damit ist zum Beispiel fraglich, ob die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats garantiert ist - ein wichtiges Kriterium für die Börsenzulassung. Ohnehin soll nach dem geplanten Börsengang die Mehrheit der VTB-Anteile weiterhin im Besitz des russischen Staates verbleiben.

Die LSE weist die Kritik an angeblich zu laxen Zulassungsregeln allerdings zurück. Die Amerikaner könnten es offenbar nicht verkraften, dass die LSE erfolgreicher sei, heißt es in London.

Wie angespannt mittlerweile das Verhältnis zwischen Wall Street und LSE ist, machte vor kurzem eine despektierliche Bemerkung von Roel Campos, einem hochrangigen Mitarbeiter der US-Börsenpolizei SEC, deutlich. Die LSE sei mit einem ,,Casino'' vergleichbar, wurde Campos von einer Nachrichtenagentur zitiert.

Aufschrei der Empörung

Ein Aufschrei der Empörung ging daraufhin durch die Londoner City. Seine Bemerkungen seien aus dem Kontext gerissen worden, versuchte Campos später die Wogen zu glätten.

Doch es geht um weit mehr als nur um missverständliche Worte, die zwischen den beiden weltweit größten Finanzplätzen für Irritationen sorgen. Der Aufstieg Londons zum schärfsten Konkurrenten der Wall Street ist vor allem einem liberalen Ansatz der britischen Börsenaufsicht FSA zu verdanken.

Im Gegensatz zu ihrem amerikanischen Pendant mischt sich die FSA nicht in jede Kleinigkeit ein. Stattdessen haben die britischen Aufseher allgemeine Grundsätze entwickelt, an die sich die Marktteilnehmer zwar halten müssten, die ihnen jedoch auch größeren Spielraum bei der Umsetzung geben.

Bürokratisches Zulassungsdickicht

Hingegen klagen Unternehmen immer wieder über das bürokratische Zulassungsdickicht an der weltweit größten Börse Nyse. Das Regelwerk ist nicht zuletzt eine Folge des 2002 verabschiedeten Sarbanes-Oxley-Gesetzes gegen Bilanzbetrug.

Es bürdet den an der Wall Street notierten Unternehmen eine Vielzahl von Berichtspflichten auf. Bei Nichtbeachtung drohen nicht nur imageschädigende Ermittlungen der SEC, sondern auch teure Schadensersatzprozesse von Anlegern. Rüde auftretende Staatsanwälte schrecken ausländische Investoren vom glatten New Yorker Parkett ab.

Nur: Die Wahl zwischen striktem Regelwerk und firmenfreundlichem Laissez-faire-Stil ist in der Praxis ein Balanceakt. Während sich die Nyse nach Meinung von Analysten mit ihrem Regelungswahn selbst im Weg steht, ist auch die liberale Strategie der LSE nicht ohne Risiko: Wenn die Prüfkriterien für Börsengänge mehr und mehr aufgeweicht werden, schadet dies dem Image der Londoner Börse.

Ein Schlaglicht auf diese Problematik wirft ein Streit um die Notierung von Kapitalbeteiligungs-Firmen und Hedge-Fonds an der LSE.

Zulassungsregeln sollen vereinfacht werden

Große Investmentbanken planen, eine Reihe dieser Firmen an die Börse zu bringen. Die britische Finanzaufsicht will in diesem Zusammenhang die Zulassungsregeln vereinfachen. So sollen börsennotierte Hedge-Fonds zum Beispiel von der Verpflichtung befreit werden, unabhängige Aufsichtsratsmitglieder einzusetzen. Ebenso sollen bei den Publikationspflichten nicht so harte Kriterien angelegt werden wie bei anderen Unternehmen.

Doch offenbar gibt es auch innerhalb der FSA Widerstand gegen eine solche ,,Notierung light''. So heißt es in einer Stellungnahme des Verbraucher- und Anleger-Ausschusses der FSA: ,,Wir meinen, dass die FSA einen großen Fehler macht und dadurch das Vertrauen der Investoren geschädigt wird.''

© SZ vom 04.04.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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