Börsen im Fieber:Stell' dir vor, der Rekord kommt - und keiner jubelt

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Der Dax könnte schon bald über den Höchstwert klettern - doch von Euphorie oder gar Angst vor einem Absturz ist wenig zu spüren. Was die Börsen diese Woche erwarten.

Am Freitag ist der Dax zum ersten Mal seit sieben Jahren über die psychologisch wichtige Marke von 8000 Punkten geklettert, doch so richtig euphorisiert hat das wenige im Markt.

Dabei ist der historische Höchstwert des wichtigsten deutschen Börsenindexes nicht mehr weit: Der lag bei 8.136 Punkten und wurde am 7. März 2000 erreicht, zu den Hochzeiten der New Economy. Kurz vorm Absturz.

Der Aufwärtsdrang des Dax hat im abgelaufenen Monat auch Zweifler Lügen gestraft: Entgegen einer Börsenregel, der zufolge der Mai als traditionell schlechter Monat für Anleger gilt, legte der Dax im Mai um etwa sieben Prozent zu und schloss am Freitagabend mit 7987,85 Punkten, 3,21 Prozent mehr als am Ende der Vorwoche.

"Der Markt will die 8000 Punkte sehen"

Der Aufwärtstrend scheint ungebrochen: "Der Markt will die 8000 Punkte sehen", sagte Fondsmanager Boris Boehm von Nordinvest. "Es spricht eigentlich nichts dagegen, dass der Dax weiter steigt", ergänzte er. Auch die Stimmung bleibe gelassen. "Würde am Markt Euphorie herrschen, müsste man sich Sorgen machen - aber das ist nicht der Fall," so Boehm.

Verschiedene Banken haben angesichts dieser Situation ihre Prognosen erhöht. Die SEB Bank rechnet damit, dass der Dax bis Mitte 2008 auf 8500 Punkte klettert. "Trotz des kräftigen Kursanstiegs sind zahlreiche Unternehmen im historischen Vergleich nach wie vor nicht überbewertet", schreibt die Bank in ihrem Marktbericht.

Auch Korrekturbewegungen dürften demnach den grundsätzlichen Aufwärtstrend nicht brechen. In den kommenden fünf Handelstagen dürfte aber der regionale Feiertag "Fronleichnam" und die nach dem Ende der Berichtssaison anbrechende, nachrichtenärmere Zeit für geringe Handelsumsätze sorgen - und größere Kursausschläge verhindern. Ruhe herrscht auch bei den Dax-Werten. Nur der Gaskonzern Linde hält am Dienstag seine Hauptversammlung ab.

Auch das Handelsvolumen hat im Mai zugelegt. Der Gesamtumsatz stieg auf 233,8 Milliarden Euro, wie aus der Statistik der Deutschen Börse hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Anstieg um 9,8 Prozent.

In dieser Woche steht die Umbesetzung des Dax an: Wenn sich der Arbeitskreis Indizes der Deutschen Börse am Dienstag trifft, dürfte eine Veränderung feststehen: Der Chemiekonzern Altana wird nach fünf Jahren im Dax die erste Börsenliga verlassen müssen.

"Der Abstieg von Altana ist so sicher wie das Amen in der Kirche", sagt Index-Experte Christian Stocker von der HypoVereinsbank. Das Unternehmen hat sein Pharmageschäft verkauft und den Erlös ausgeschüttet. Dadurch sank der Börsenwert so stark, dass Altana nicht mehr zu den größten 45 börsennotierten Firmen gehört, womit eine der zwei Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Dax nicht mehr erfüllt ist.

Wer dann am 18. Juni auf der Dax-Kurstafel auftauchen wird, ist nach Meinung von Index-Experten ebenso klar. "Diesmal dürfte es Merck schaffen", meint Anke Platzek von der Landesbank Baden-Württemberg. Beim letzten Mal hatte MDax-Mitglied Merck der Deutschen Postbank den Vortritt lassen müssen.

Die US-Börsen dürften gut werden

Für die US-Börsen dürfte diese Woche nach Ansicht von Analysten gut werden. Entscheidende Firmenzahlen werden nicht erwartet, und die Daten zur Konjunktur dürften die Aktienindizes kaum herausfordern.

Es sehe so aus, als ob der Markt weiter nach oben tendieren werde, sagte Brandon Thomas von Envestnet Asset Management in Chicago. "Meiner Meinung nach kommt in der nächsten Woche nichts an Daten, was die Börsen groß belastet."

Am Dienstag wird der Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen für Mai erwartet. Analysten rechnen mit einem leichten Rückgang im Vergleich zum Vormonat. Auch die Handelsbilanz für den April soll am Freitag veröffentlicht werden.

Die abgelaufene Woche hatte der Dow-Jones-Index der Standardwerte mit einem Wochenplus von 1,19 Prozent beendet; am Freitagabend lag er bei 13 668 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500 legte im Wochenverlauf 1,36 Prozent auf 1536 Zähler zu.

Am Freitag waren es unerwartet positive Konjunkturdaten, die die US-Märkte gestützt hatten. Diese gaben Hoffnung auf eine Wirtschaftsbelebung und damit auf gute Geschäftsaussichten der Unternehmen.

Auch Analyst Thomas meint, dass die US-Wirtschaft in einem guten Zustand und die Inflation in Ordnung sei. Außerdem erwirtschafteten die Unternehmen erfreuliche Gewinne - alles in allem eine Kombination, die nach Ansicht des Experten keinen Anlass für eine Zinserhöhung bietet. Hebt die Notenbank ihre Zinsen, belastet das in der Regel die Märkte, weil dadurch auch Kredite teurer werden.

© SZ vom 4.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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