BGH-Urteil:Widerruf von Immobilienkrediten

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Wurde der Immobilienverkauf an der Haustür vermittelt, kann der Käufer den Kredit auch nach Jahren widerrufen.

(SZ vom 10.4.2002) Im Streit um das Widerrufsrecht bei der Finanzierung von Steuerspar-Immobilien haben geschädigte Anleger vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen wichtigen Etappensieg errungen. Die Frage, ob der Abschluss im Rahmen eines Haustürgeschäfts erfolgte, wird nach der BGH-Entscheidung vom Dienstag (9.4.2002) als prozessentscheidend eingestuft. Ob dies der Fall war, muss nun das Oberlandesgericht (OLG) München klären, weil zur Beweisaufnahme der Fall zurücküberwiesen wurde.

Der Musterfall

Den Musterprozess hatte ein Ehepaar vor dem OLG München gegen die HypoVereinsbank (HVB) als Rechtsnachfolger der früheren Hypo-Bank angestrengt. Die Kläger waren nach eigenen Angaben von einem Makler unaufgefordert besucht und gleich überredet worden, eine vermietete Wohnung als Kapitalanlage zu erwerben. Der Verkäufer hatte auch gleich den passenden Finanzierungsvertrag für die überteuerte Immobilie präsentiert - ein Darlehen, das an die Hypo-Bank weitervermittelt wurde. Die Kläger werfen der Bank vor, über das Widerrufsrecht nicht belehrt worden zu sein.

Das europäische Urteil

Vor der Urteilsfindung wandten sich die in letzter Instanz zuständigen BGH-Richter an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit der Frage, ob die im Verbraucherkreditgesetz (VKG) )vorgesehenen Widerrufsmöglichkeiten für Kreditkunden der europäischen Richtlinie zum Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften entspricht.

Denn das VKG sieht keine Widerrufsmöglichkeit bei grundpfandrechtlich gesicherten Krediten vor - und dieser Passus widerspricht nach einer Aussage der EuGH-Richter vom Dezember vergangenen Jahres der EU-Richtlinie zum Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften.

Die Antwort der Luxemburger Richter auf die Anfrage aus Deutschland brachte die bisher gängige Rechtsprechung ins Wanken. "Ein Kredit darf nicht vom Widerrufsrecht im Rahmen eines Haustürgeschäfts ausgeschlossen werden, nur weil er grundpfandrechtlich abgesichert ist", schrieben die Richter dem deutschen Gesetzgeber ins Stammbuch.

Nach Ansicht der EuGH-Richter liegt ein solches Geschäft vor, wenn die Initiative zum Vertragsabschluss vom Gewerbetreibenden ausgeht, der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wird und der Verbraucher auf die Verhandlungen nicht vorbereitet ist, so dass er Qualität und Preis des Angebotes nicht vergleichen kann. Wird der Kunde nicht über die Möglichkeit des nachträglichen Widerrufs informiert, kann er den Kreditvertrag während der gesamten Laufzeit rückabwickeln.

BGH schließt sich EuGH an

Nun hat der BGH entschieden: Der Rechtsstreit wird an das Münchner Oberlandesgericht zurückverwiesen, um die Frage der Haustürsituation zu klären.

Der Grund: Das Oberste Gericht kann zwar Urteile von Oberlandesgerichten prüfen, aber keine neue Beweisaufnahme anstrengen. Weil jedoch die Richter in München keine Beweise zum Tatbestand eines Haustürgeschäfts gesammelt haben, ist dies nun nachzuholen.

Damit erklärt der BGH das vom EuGH postulierte Widerrufsrecht bei Immobilienkrediten für verbindlich. "Mit der Anerkennung einer Haustürsituation als prozessentscheidenden Bestandteil hat der BGH klargestellt, dass die Kläger ein Widerrufsrecht haben", sagt die Stuttgarter Rechtsanwältin Renate Binder.

Sollten die Richter am Münchner OLG zu dem Schluss kommen, dass die Kläger im Rahmen eines Haustürgeschäfts zu Kauf und Finanzierung der Immobilie überredet wurden, kann das Darlehen rückabgewickelt werden.

Keine eindeutige Rechtslage

Doch die Rechtslage ist nicht eindeutig. Bleiben die Gerichte bei der bisherigen Rechtsauffassung, werden Kreditaufnahme und Immobilienkauf als "verbundenes Geschäft" betrachtet.

Voraussetzung ist allerdings, dass der Kredit ausschließlich zur Finanzierung der Immobilie verwendet wurde. Ist dies der Fall, muss der Darlehensnehmer seine Schulden nicht zurückzahlen, sondern kann der Bank einfach die damit finanzierte Immobilie überschreiben - bei den oft weit überhöhten Kaufpreisen und Finanzierungssummen ein gutes Geschäft für den Kunden und ein schlechtes für die Bank.

Bank mit Haustürgeschäften

"Viele geprellte Anleger haben nun eine Chance, aus überteuerten Steuersparmodellen auszusteigen", sagt Binder. Allein die HypoVereinsbank hat nach eigenen Angaben etwa 108.000 von Maklern, Strukturvertrieben, Bauträgern oder Steuerberatern vermittelte Immobilienfinanzierungen mit einem Volumen von 13,6 Milliarden Euro in den Büchern stehen.

Welcher Anteil davon in Form eines Haustürgeschäfts abgeschlossen wurde, müssen im Einzelfall die Gerichte klären. Wie teuer die zu erwartende Prozesslawine für das Geldhaus wird, ist derzeit noch völlig offen.

tha

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