Betrugsfall Phoenix:Streit um Entschädigung entbrannt

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Bislang wird im Betrugsfall Phoenix eine Entschädigungssumme von bis zu 200 Millionen Euro veranschlagt. Der zuständige Entschädigungsfonds betrachtet sich als überfordert.

Simone Boehringer

Im Betrugsfall Phoenix sollen Anleger nach den Vorstellungen einiger Wertpapierfirmen weniger Geld bekommen.

Auf der Gläubigerversammlung im vergangenen Oktober in Frankfurt wurden die geprellten Anleger über das Verfahren gegen die Phoenix Kapitaldienst GmbH informiert. (Foto: Foto: dpa)

Bislang wird eine Entschädigungssumme von bis zu 200 Millionen Euro veranschlagt. Die 760 Unternehmen, die dafür zahlen sollen, fordern außerdem eine Gesetzesänderung.

Ein Sprecher der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EDW) lässt keinen Zweifel: "Die Mitgliedsbeiträge reichen zur Entschädigung im Fall Phoenix nicht aus. Die Vorbereitungen für die erstmalige Veranlagung zu Sonderbeiträgen laufen." So sieht es das Einlagensicherungs- und Anlegerschutzgesetz auch vor.

Erdbeben

Bei einigen der 760 Mitgliedsunternehmen, die für den Schaden aufkommen sollen, hat diese Ankündigung dennoch ein Erdbeben ausgelöst. Dazu gehören Wertpapierhandelsbanken, Vermögensberater und Kapitalanlagegesellschaften.

"Wenn das Gesetz so bleibt, werden Vermögensverwalter des Verbandes ihre Lizenz bei der Bundesaufsicht abgeben und ihr Geschäft von Österreich oder sonstwo betreiben", wettert Lutz Gebser, Vorstandsvorsitzender des Verbandes unabhängiger Vermögensverwalter Deutschlands (VUV).

"Der Fall Phoenix hat die Grenzen der EDW gesprengt", sagt Michael Sterzenbach, Geschäftsführer des Bundesverband der Wertpapierfirmen an deutschen Börsen (BWF).

Weniger als zehn Millionen Euro in der Kasse

Tatsächlich hat die 1998 gegründete Einrichtung in bisher 16 Entschädigungsfällen insgesamt ganze 13 Millionen Euro ausbezahlen müssen. Den nun bei Phoenix voraussichtlich zu ersetzenden Schaden beziffert die EDW auf 180 bis 200 Millionen Euro. In der Kasse hat man aber derzeit weniger als zehn Millionen Euro.

"Knapp 600 Millionen Euro sind von Anlegern bei Phoenix Kapitaldienst einbezahlt worden. Nach Abzug der Mittel in der Kasse, etwa 230 Millionen Euro und unter Berücksichtigung nicht zu ersetzender Schäden nach dem Gesetz bleibt diese Summe voraussichtlich übrig", rechnet Michael Helmers vor, zuständiger Abteilungsdirektor bei der Staatsbank KfW, die die rechtlich nicht selbstständige EDW verwaltet.

Nachdem derzeit die Veranlagung der üblichen Jahresbeiträge läuft, die zwischen 2,5 und vier Millionen Euro in die knappe Kasse des EDW spülen dürfte, sollen im vierten Quartal die Zahlungsbescheide für die Sonderveranlagung über bis zu 190 Millionen Euro versandt werden.

Für die meisten der großen Beitragszahler zum EDW, den BWF-Mitgliedern und etwa 30 Kapitalanlagegesellschaften des Bundesverbandes Deutscher Investmentgesellschaften (BVI), sind die auf sie zukommenden Einzelsummen nicht existenzbedrohend.

Einzelkämpfer gefährdet

Anders ist das bei den VUV-Unternehmen: Bei vielen Einzelkämpfern können schon einige hunderttausend Euro Nachzahlung das Aus bedeuten, sagt Gebser.

Aber auch bei den größeren Veranlagten, etwa der Baader Wertpapierhandelsbank, die dem BWF angehört, ist man skeptisch: "Wir sind schon überrascht, dass es so konkrete Fahrpläne gibt, wo die endgültige Schadenshöhe doch noch gar nicht feststeht", sagt Dirk Freitag aus dem Vorstandsreferat bei Baader. Das Insolvenzplanverfahren läuft noch.

Indessen hat der BWF gemeinsam mit dem BVI und dem VUV ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass bis Ende September beweisen soll, dass die tatsächliche Summe der entschädigungsfähigen Leistungen im Fall Phoenix noch tiefer liegt als bislang veranschlagt.

Reform des Entschädigungswesens

Darüber hinaus gibt es Bestrebungen der Lobbyisten, eine generelle Reform des Entschädigungswesens der Banken und Finanzdienstleister in Deutschland anzuschieben. "Gespräche darüber mit dem Finanzministerium sowie EDW und KfW sind anberaumt", sagt BWF-Geschäftsführer Sterzenbach.

Dabei soll es darum gehen, die Entschädigungseinrichtung tragfähiger zu machen. Die Zusammenlegung mit den drei übergeordneten Sicherungseinrichtungen der öffentlichen, genossenschaftlichen und privaten Banken werde dabei ebenso diskutiert wie eine mögliche Änderung der für alle Entschädigungsfonds geltenden gesetzlichen Regelung: Demnach müssen betroffenen Anlegern 90 Prozent des Kapitaleinsatzes, höchstens jedoch 20.000 Euro ersetzt werden.

"Das gleicht einer Garantie für risikolose Anlagen. Für die Vermögensverwalter im EDW ist das eine Zeitbombe", schimpft VUV-Chef Gebser. Mehr als zwei Drittel der 30.000 Phoenix-Anleger hätten, bewusst oder unbewusst, nicht mehr als diese Entschädigungsobergrenze investiert.

Hoffnung auf Ausgleich weiterhin berechtigt

Trotz der aktuellen Diskussion können sie nach derzeitigem Stand weiter auf einen Ausgleich für Verluste hoffen: "Im ersten Quartal 2007 soll mit der Auszahlung der Entschädigungen begonnen werden", heißt es bei der EDW.

© SZ vom 02.08.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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