Besser Bauen:Um die Ecke gedacht

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Der Architekt Norbert Schweitzer hat bewiesen, dass man auch auf schrägsten Grundstücken ordentlich bauen kann.

Oliver Herwig

Die Lage schwierig zu nennen, wäre krass untertrieben. Eigentlich ist der Ort eine Katastrophe für ein Mehrfamilienhaus: Direkt an der Bahnlinie nach Feldkirch, eingezwängt zwischen Gleisanlagen, Fußgängertunnel, Straße und einem schon bestehenden Wohnhaus, blieb zum Leben kaum mehr als ein angeschnittenes Dreieck - ein Zwickel mit Gleisanschluss.

Vorne die Straße, hinten das Gleis. Das dreieckige Grundstück ließ genug Raum für Minimalismus. (Foto: Foto: Norbert Schweitzer)

Außergewöhnliche Lösung

Norbert Schweitzer ließ sich davon nicht beirren. Ungewöhnliche Grundstücke verlangen eben nach außergewöhnlichen Antworten. Also antwortete der Architekt nach Art eines Jiu-Jitsu-Kämpfers - und verwandelte die Schwäche des Grundstücks zu einer Stärke. Für die Bauherren - drei Brüder - erhielt er genug Grün für den Garten nach Süden und schuf geschlossene Fassadenflächen zur Straße im Nordwesten. Den kompakten Baukörper gestaltete Schweitzer so schmal, dass er ihn bequem in die Lücke zwischen Gleis und Straße schieben konnte, wie einen Keil, den ein Steinmetz in einen Granitblock treibt, um ihn zu sprengen.

Weglassen, was nicht nötig ist

Wer die Eternit-Verkleidung und die 45-Grad-Schräge des Hauses sieht, mag tatsächlich an einen Findling denken, der ins Tal donnerte und liegen blieb, oder an einen Eisblock mit kristallinen Kanten. Norbert Schweitzer komponierte ein Prisma "mit glatter Haut", wie er selbst sagt. Angesichts des knappen Budgets hieß dies vor allem eines: Weglassen, was überflüssig oder entbehrlich schien.

Grundriss mal drei

Auch beim Grundriss gab es keine überflüssigen Mätzchen. Schweitzer stapelte drei identische Wohnungen übereinander. Die einzelnen Etagen erschließt eine verglaste Stiege außen an der Nordwestfassade, die sonst nur mit minimalen Öffnungen und schmalen Lichtschlitzen parallel zur Tür auf die Umgebung antwortet.

Innenansichten

Wer das Haus betritt, steht zunächst in einem lang gezogenen Gang, von dem drei Zimmer und Bad rechtwinklig abzweigen. Rechts geht es zu einem überraschend großzügigen Wohnraum, der mit seiner spitzen Front Dynamik gewinnt, aber damit auch eine schwer nutzbare Ecke besitzt. Glas steht nach Süden, der Blick geht ins Grün.

Dahinter liegt auch schon die Bahnlinie. In den Raum eingestellt wurde eine offene Küchenzeile, die eine Dreiteilung in Kochen-Speisen-Wohnen vorgibt.

Zurück zum Gang. Im Zentrum des Hauses liegt der Sanitärkern, Bad und WC sowie Therme auf engstem Raum - Platz, der an anderer Stelle dem Leben zugute kommt. Es folgen ein großes Büro, das notfalls mittig geteilt werden kann und - am Ende des Ganges - das Schlafzimmer.

Keil als Energiesparhaus

Obgleich nicht in der idealen kubischen Form, entstand ein rigides Energiesparhaus, das sich nach außen wehrhaft gibt und mit minimalen Fensterflächen auskommt, die auf den Garten ausgerichtet sind. Innen hingegen bleibt Platz für das Wesentliche, das Leben. Ein "Wohn-Waggon ohne Räder" scherzte Otto Kapflinger in seinem Vorarlberg-Architekturführer und sah in dem Bau ein "typisches Beispiel einer aktuellen Nachverdichtung auch in sehr exponierten städtischen Lagen".

Das klingt nach Untertreibung. Immerhin gelang dem Energiesparhaus mit seiner minimalistischen Architektursprache ein zweifaches Kunststück. Es zeigt nicht nur die Kunst des Weglassens, wenn es darum geht, Kosten zu senken, sondern auch den Einfallsreichtum des Architekten beim Umgang mit einem Problemgrundstück.

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