Besser bauen:T wie Turboarchitektur

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Schöner Autochecken in Mering: Cool wie eine Bar strahlt das TÜV-Gebäude im Niemandsland des Gewerbegebiets.

Oliver Herwig

Das liebe Auto. Es rollt und rollt, und irgendwann rollt es zur Inspektion. Lästige Angelegenheit, nervöse Warterei, die an Zahnarzt erinnert.

Klar, sachlich und ungemein schnittig: Die Architekten haben an allem gespart, nur nicht bei der Gestaltung. (Foto: Foto: Terrain Loenhart & Mayr)

Die Orte der Inspektion: Werkstätten, voll gestopft mit Absaugschläuchen, Elektronik und Monitoren, wo sich Kabel wie Riesenschlangen über den Boden winden. Das muss nicht sein, befanden "terrain", das Büro der Münchner Landschaftsarchitekten Klaus K. Loenhart und Christoph Mayr. Und schlugen dem Technischen Überwachungsverein die etwas andere Werkstatt vor: Cool wie eine Bar im Glockenbach strahlt sie im Niemandsland des Gewerbegebiets von Mering.

Alpspitzstraße heißt die Adresse. Es ist fraglich, ob man von hier aus den Berg wirklich sehen kann, auch der Nahblick ist wenig erhebend. Am Rand der Gemeinde haben sich Lagerhallen im Trachtenlook breit gemacht wie Paletten in einem Abholmarkt: Märkte mit aufgesetzten Satteldächern und Potemkinschen Balkonen, auf denen sogar Kästen für Geranien stehen. Hallen, die mit großen Fenstern vorgaukeln, hier wohne jemand, gefolgt von ordinären Einkaufskisten.

Gerade als man die Augen schnell wieder hinters Lenkrad parken will, taucht ein Neubau auf, der einem zuzuzwinkern scheint, ein T in der Landschaft, mit zwei weit auskragenden Seitenflügeln aus Polycarbonat, leicht und durchscheinend. T wie trau dich, T wie Termin, T wie Turboarchitektur, denn Planung und Bau verschlangen gerade mal viereinhalb Monate.

Die Prüfstelle musste raus aus ihrer angestammten Werkstatt und entschloss sich, selbst zu bauen. Wie gut, dass Loenhart und Mayr einen Entwurf eingereicht hatten, wie eine solche Anlage wirtschaftlich errichtet und markant gestaltet werden kann.

T wie TÜV: Das Gebäude als Markenzeichen. (Foto: Foto: Terrain Loenhart & Mayr)

Da ist nichts überkandidelt, man fährt das Auto in die Werkstatt oder stellt es davor ab. Rechts der Empfang, der mit seiner Panoramascheibe Offenheit ausstrahlt, gefolgt von einem kleinen Büro und WC.

Der Innenausbau: einfach und konsequent mit Industriematerialien- Spaghettidecke und Eternitplatten, die den Blick wieder auf die Kunststoffhülle zur Linken lenken. Zwischen den zwei Schichten aus Polycarbonat erkennt man Linien, übergroße Buchstaben, die das Akronym der Werkstatt für alle sichtbar nach außen werfen. Das Haus wird zur überdimensionalen Werbefläche, ein leuchtendes Zeichen bei Nacht, wenn sich die transluzente Hülle, die nur von einem winzigen Edelstahlband gehalten zu sein scheint, in eine große Leuchtfläche verwandelt.

Da hätten sie sich das hinterleuchtete Schriftband "Eingang" sparen können, das ungebührlich aus der Wand ragt. Das karge Materialkonzept im Inneren brauchte etwas Vermittlung, aber jetzt steht der Überwachungsverein ganz dahinter, tauscht sogar noch zwei der Eternitplatten aus, die Schmutzränder von einer überhasteten Putzaktion zeigen.

Aber selbst die können den Entwurf nicht beschädigen. Auch tagsüber macht das Haus eine gute Figur. Klar, sachlich und ungemein schnittig, ein Rennboot verglichen mit den betagten Pontons, die als Warenlager darum herum dümpeln. Die Architekten haben an allem gespart, nur nicht bei der Gestaltung. So wie sie nächtelang Kabelführungen zeichneten und alles detaillierten, haben sie das Innere der Werkstatt mächtig aufgeräumt.

Dieser Impuls scheint sich wellenförmig auf die Umgebung auszubreiten, da die Landschaftsarchitekten die üblichen Asphalt- und Betonflächen auf ein Minimum reduzierten, genauer: auf eine einzige Wendeschleife, und den Aushub des Gebäudes als halbhohen Wall rund herum aufschütteten. Statt dem üblichen Sortiment von Bäumen streuten sie Grassamen der Bayerischen Saatgutanstalt aus, eine Wiesenmischung für den fetten Boden der Region.

Links neben dem Gebäude, direkt unter dem gewellten Kunststoffmantel, liegt eine Bodensenke, in der sich ganz andere Vegetation entwickeln soll. Ein Hoffnungsschimmer für das öde Umfeld, ein Samenkorn, das hoffentlich aufgeht und irgendwann Früchte trägt, sprich: Nachahmer findet, denn ein einziger Bau kann keine verkorkste Anlage retten, wohl aber zeigen, was möglich wäre, wenn Gestaltung nicht nur ein Feigenblatt für Großunternehmen wäre.

Denn ist es nicht erstaunlich: Beim Auto sind wir alle nicht nur Schumi, sondern auch Designer, die jede Kante und jede Lichtlinie kommentieren und genau wissen: in den Stall kommt nur das beste Teil. In Mering heißt es nun auch in Werkstatt: Gib Gummi beim Design. Etwas besseres hätte uns Automobilisten nicht passieren können.

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