Besser bauen:Nach oben verdoppelt

Lesezeit: 3 min

Ein gewöhnlicher Bungalow aus den 60er Jahren gelangt zu neuer Größe und Weite: Aus dem Einfamilien-Flachbau wurde ein zweigeschossiges Zweifamilienhaus.

Von Lars Klaaßen

München ist eine große Stadt. Aber nicht groß genug. Wohnraum ist Mangelware. Und Platz für neuen gibt es innerhalb der Stadt kaum. Aber es geht aufwärts: Einfach was drauf setzen, spart Platz und schafft Raum. Silke und Christian Wolf haben den elterlichen Bungalow in Obermenzing nach oben verdoppelt.

Aus dem Einfamilien-Flachbau wurde ein zweigeschossiges Zweifamilienhaus, mit jeweils knapp 130 Quadratmetern Wohnfläche. Gebaut wurde, während Wolfs dort wohnten. Dabei ist das Haus aus den 60ern für solch eine Aufstockung eigentlich gar nicht ausgelegt.

Weil der Kubus nur begrenzt belastbar ist, haben Hild und K das neue erste Geschoss in Holzrahmenbauweise konzipiert. Deren Lasten werden auf die Außenmauern abgeleitet. Das hat zudem den Vorteil, dass die Raumaufteilung im Obergeschoss völlig unabhängig vom Grundriss im Erdgeschoss ist.

Lediglich der Kamin zieht sich als Konstante durch die Geschosse. Mit Wandelementen aus Sperrholz, Dampfsperre und Gipskarton wurde die Wohnung in einen separaten Schlaftrakt und einen offeneren Wohnteil samt Bibliothek und Arbeitszimmer unterteilt. Türen und breite Durchgänge verbinden die Räume.

Große Fensterflächen geben zwar den Blick nach draußen frei, sind aber etwas höher als üblich. Die Natur kann durch die langen Fenster wie ein Bild betrachtet werden. Ein getrennter Eingang mit Windfang und gerader Treppe führt an der Nordseite hinab in den Garten. Dieser schlanke Treppenanbau ragt über die Außenmauern des Bungalows hinaus.

An dieser Stelle zieht sich auch die Haut des Aufbaus bis zum Boden: eine markante Aluminiumhülle, ein besonderer Wunsch der Bauherren. Ursprünglich geplant war eine weiß gestrichene Holzfassade, die aber zu rustikal und im Unterhalt zu aufwendig erschien. Die walzenblanken Aluminiumplatten hingegen werden lediglich alle paar Jahre mit Wasserdampf gereinigt und dunkeln im Laufe der Jahre nach.

Die Fassade wandelt sich mit dem Lichteinfall: Im klaren Winterlicht wirkt sie ganz kühl, im Herbst hat sie einen weichen warmen Ton. Auch über den Tag hinweg verändert sie sich ständig. Hild und K entwickelten einen scharfkantigen Baukörper.

Die Fenster in den Ecken schließen wandbündig ab - lediglich die Öffnungsflügel sind zurückversetzt - und betonen den Charakter einer Box noch. "Durch die Eckfenster kann man von Innen an vielen Stellen das eigene Haus betrachten, das schafft ein Gefühl von Größe und Weite", so Hild.

Die Fassade des Aufbaus verläuft in drei horizontalen Schichten, deren mittlere die Höhe der Fenster aufnimmt. Die waagerecht verlegten Platten sind bis zu sechs Meter lang. Sie wurden an den Ecken nicht gestoßen, sondern um 90 Grad gebogen und umwickeln das Obergeschoss wie Bänder. Die Lärchenholzrahmen der Fenster bilden von außen einen Kontrast zu Metall und Glas. Innen rahmen sie die "Gartenbilder" beim Blick nach draußen.

Im Arbeitszimmer wurden auch die raumhohen Regale an allen Wänden sowie der Schreibtisch im gleichen Holz gebaut. So entsteht der Eindruck, das Zimmer wachse an den Fenstern aus dem Haus heraus. Die Box zeigt sich je nach Perspektive mal offen und mal verschlossen.

Das Haus wurde nicht nur einfach aufgestockt. Es changiert zwischen Transparenz und Verschlossenheit, und wandelt sich mit dem Lichteinfall.

Damit wurde die Alubox aus Obermenzing bereits zum Paten für ein weiteres Projekt: Ganz ähnlich - und doch ganz anders - sind Hild und K im Haus Bonnin verfahren. Das Stadthaus in Eichstätt, ein verputzter Fachwerkbau in den engen Altstadtgassen gelegen, wurde ebenfalls aufgestockt. Auch hier hat ein älteres Gebäude ein neues Oberstübchen aus modern anmutenden Materialen erhalten.

Dabei drehte sich alles um das Einfangen von Licht. In dem eng umbauten Haus sind Sonnenstrahlen Mangelware. Eine aufgesetzte Stahlkonstruktion wurde mit transparenter Wärmedämmung ausgefacht. An der Fassade wurden Lochblechelemente aus Titanzink gehängt, die den Lichteinfall kaum behindern. Das Ergebnis: ein introvertierter Raum, der durch Reispapierwände begrenzt zu sein scheint. Nachts kehrt sich die Lichtwirkung um. Die Aufstockung glimmt wie eine Lampe.

Was in Obermenzing angenehm aus der Reihe fällt und nach oben weist, muss andernorts nicht kopiert werden. Es kann aber Schule machen und wie in Eichstätt mit anderen Mitteln aufgegriffen werden: So lassen sich noch viele Häuser toppen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: