Besser Bauen:Ein Stück Japan in München

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In der Japanischen Schule beginnt die Erziehung schon im Garten: Er soll das Tempo der Schüler verlangsamen und sie in die Welt der Konzentration und Disziplin bringen.

Von Christa Eder

Es ist wie mit allem Neugebauten. Zunächst sieht alles zaghaft und geometrisch aus. Zeit und Mensch haben noch keine Spuren hinterlassen. Gebäude muss man eine Zeit lang benutzen und "einwohnen", damit sie Charakter entwickeln, Gärten müssen "einwachsen".

Keller Landschaftsarchitekten und Architekten Illig und Partner pflanzen Japan in München an. (Foto: Foto: Martin Hangen)

Der Schulgarten der Internationalen Japanischen Schule in München-Thalkirchen ist gerade einmal ein Jahr alt und dabei, sich in seine Umgebung zu verwurzeln. Am Eingang stehen langbeinige, junge Tokio-Kirschen. Ihre Äste sind noch fedrig und dünn, aber sie blühen schon rechtzeitig im April zum Kirschblütenfest, wenn ganz Nippon den Frühling begrüßt und seine nationale Zusammengehörigkeit zelebriert.

Statt Blumen und Blüten empfangen den Besucher Stein, Kies, Buschwerk und Bäume. Alles ist reduziert, alles Unerhebliche vermieden. Und alle Naturmaterialien haben nach der ShintoMythologie, der japanischen Naturreligion, etwas Heiliges, Göttliches in sich.

Eine große Rolle spielt hier der Stein. Er symbolisiert Reinheit, Einfachheit und damit auch das ästhetische Prinzip Japans. Diese Ästhetik haben Keller Landschaftsarchitekten und die Architekten Illig und Partner aufgenommen. Das Gebäude besteht aus einem Sockel aus sandfarbenen Jurakalkblöcken, auf den der leichtere, weiße Beton-Glas-Stahl-Bau aufgesetzt ist.

Der Stein, hier der Jurakalk, zieht sich durch das gesamte Schulgelände. Man findet ihn wieder im Schulhof, als Bodenbelag im Rasenband, Abtropfblock des Brunnens oder, in Gabbionen verpackt, im Lichthof des Seitenflügels. Hinein gelangt man durch verschiedene "Schleusen", die das Tempo der Hereinkommenden verlangsamen und sie in die Welt der Konzentration und Disziplin bringen.

Hinter großen Schiebetüren liegt der abgedunkelte Eingangsbereich, dahinter die luftige, helle Aula, die über große Fenster, den Blick zur Gartenanlage eröffnet. "Für einen Schulhof hat diese Anlage einen sehr hohen Grünanteil", erklärt Regine Keller. "Normalerweise werden mehr Nutzungsfläche und somit mehr Belagsflächen ausgewiesen, um dem Bewegungsdrang der Kinder gerecht zu werden. An einer herkömmlichen Grundschule mit 400 Kindern würde der Rasen in kürzester Zeit weggepustet werden."

Etwa 200 Kinder dürfen auf der Grünfläche spielen und toben. Diszipliniert toben muss man dazu sagen. Denn japanische Kinder erfahren eine so genannt "kontrollierte Erziehung", bei der harte Disziplin, Leistung und Gehorsam die Kriterien sind.

Das Zentrum des Hofes ist eine quadratische Rasenfläche. Den oberen Rand bilden Pergolen, an denen sich japanische Clematis-Arten hinauf ranken, dazwischen wuchert dunkles Chinaschilf. Das Rasenquadrat ist mit hellen Kieswegen eingefasst.

Die Anlage wirkt sehr ästhetisch und edel: Das grün-weiß gestreifte Trottoir aus Jurakalk und Rasen, die breiten Holzdecks und Holzbänke, die für Unterricht und Essenspausen im Freien genutzt werden können, der Pumpbrunnen mit dem Jurastein-Block für das Gießwasser. Bäume und Sträucher stehen locker gruppiert auf der Grünfläche. Schirmförmig ausgebildete Felsenbirnen, bizarre Zirbelkiefern und ausladend verzweigte Hartriegel spenden an heißen Tagen Schatten.

Etwa ein Jahr wird es noch dauern, bis alles eingewachsen ist. "Wir haben bewusst robuste Stauden verwendet, denn die Anlage sollte nicht sehr pflegeintensiv sein und die Kinder sollten selber etwas tun können", so Regine Keller. Im rückwärtigen Teil der Anlage sind daher Stachel- und Johannisbeersträucher sowie Gemüsebeete angelegt, in denen Rettiche, Tomaten oder Bohnen wachsen. Jede Klasse kann ein Beet bewirtschaften. An der Fassade des Schultraktes klettert wilder Wein, der im Herbst in allen Rottönen leuchtet.

Im Hinterhof taucht, unerwartet, der abgesenkte Lichthof auf, der wieder aus dem hellen, warmen Jurakalk besteht. Hier ist der Stein gebrochen, in Gabbionenkörbe verpackt und als dreieinhalb Meter hohe Wand aufgeschichtet. Die Treppe und der Boden bestehen aus Steinblöcken. Der Lichthof dient den Schülern als Zimmer im Freien, wo sie Objekte aus dem Werk- und Kunstunterricht bearbeiten oder trocknen können.

"Der Lichthof soll eine Anmutung zum Zen-Garten darstellen," sagt Regine Keller. "Wir haben versucht, mit wenigen Materialien einen meditativen Charakter und Stimmung zu erzeugen. Das geht durch die Reduktion."

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