Besser bauen:Beletage im Keller

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In der Stadt ist Boden knapp und teuer. Zwei Architekten vergeuden deshalb keinen Quadratzentimeter: Sie holen Tageslicht in den Keller und betten sogar das Wohnzimmer ins Erdreich.

Von Eike Schrimm

Der Keller ist nicht zum Wohnen da. Er ist gerade gut genug für Heizkessel, Waschmaschine, Kartoffeln oder Trimm-dich-Rad. Höchstens Spinnen bauen sich dazwischen ein Nest. Aber die Architekten Johannes und Markus Probst zeigen, dass man unter der Erde nicht automatisch im Dunkeln tappen muss, sondern licht wohnen kann. Die Brüder haben auf dem Grundstück der Eltern zwei Stadthäuser für den Eigenbedarf gebaut. Zum Glück ist es mit 580 Quadratmetern groß genug und ein noch größeres Glück ist die Lage: Mitten im Münchner Stadtteil Gern, auf dem teuersten und besten Boden, den die Stadt zu bieten hat.

So schön kann tiefer gelegtes Wohnen sein. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Strenge Vorbilder

Vater und Baubehörde stellten jedoch hohe Ansprüche, denn die Neubauten mussten passen - sowohl zum bestehenden Gebäude als auch ins Viertel. Die Architekten orientierten sich also am Haus des Vaters, der es als Architekt in den 70er Jahren plante. Die Söhne übernahmen die kubische Form, die zweigeschossige Höhe und den Baustoff Beton, so dass die drei Häuser als einheitlichen Gruppe dastehen. Dazu rahmt der eingewachsene Garten mit Büschen und Bäumen sie zusammenhängend ein.

Keine simple Spiegelung

Aber die Probst-Brüder verdoppelten nicht einfach ein gemeinsames Konzept. "Wir wollten auf engstem Raum unsere eigenständigen Auffassungen umsetzen, ohne dabei den städtebaulichen Rahmen zu sprengen", sagt Markus Probst. Außen und Innen ähneln sich deshalb die Häuser - wie Zwillinge, aber wie zweieiige: sie sind über dem Beton weiß verputzt, haben dieselbe Länge, Breite und Höhe, aus den Fassaden ragen zwei Türme. Aber der eine Turm liegt an der Nordseite, der andere an der Westseite. Außerdem stapeln sich Glasbausteine hoch zum Nordturm, der Westturm ist wiederum aus Beton gegossen und blau verputzt. Johannes Probst bricht auf der Nordseite die kubische Form nochmals auf und setzt vor die erste Etage einen Anbau. Auf beiden Südseite fließt Tageslicht durch große Fenster, schwenk- und schiebbare Lamellen aus Leichtmetall fangen auf Wunsch Hitze und fremde Blicke ab. Die obersten Etagen öffnen sich zu Dachterrassen - ein ideales Rückzugsgebiet unter freiem Himmel.

Platzsparend aber nicht gedrängt

Das Innere organisierten Johannes und Markus Probst identisch. Das liegt auch nahe, denn beide müssen ihre fünfköpfigen Familien auf einer Grundfläche von sieben mal elf Meter unterbringen. Beide Architekten vergeuden keinen kostbaren Boden, selbst der Keller wird nicht zur Abstell- und Lagerfläche degradiert. Stattdessen tauchen die Wohnzimmer ab in die Untergeschosse - umgeben von jeweils zwei Glasfronten, die sich über eineinhalb Geschosse erstrecken. Der "typische" Keller für die Haustechnik liegt außerhalb der eigentlichen Baukörper, unterhalb des Hofes. Die tiefer gelegten Wohnzimmer sind über Lufträume mit dem Erdgeschoss verbunden, wo gegessen und gekocht wird. Die drei Kinder werden in der ersten Etage groß, darüber schlafen die Eltern, die restliche Hälfte der Dachgeschosse beanspruchen großzügig die Terrassen für sich. In beiden Häusern schrauben sich Wendeltreppen von Geschoss zu Geschoss.

Einfälle in Licht umgesetzt

Großflächig setzen Johannes und Probst Glas in die Fassade. Aber auch mit überraschenden Details lotsen sie das Licht weiter: Ein Stück des Flachdaches ist aus Glas, genauso ein Stück Boden in jedem Geschoss. So lässt Johannes Probst einen Licht- und Sichtschacht entstehen, der Blicke und Helligkeit bis in den Keller durchlässt. Markus Probst hat in den Betonboden zwischen Wohn- und Essraum kleine Bullaugen gießen lassen mit zweierlei Effekt: Von oben betrachtet lockern sie den Betonboden auf, von unten machen sie die Betondecke lichter.

Mut in eigener Sache

"In dem eigenen Haus traut man sich mehr", fasst Johannes Probst zusammen. Denn seine Handwerker waren zum Beispiel fassungslos, als sie aus Glasbausteinen einen Turm zusammensetzen sollten: "Aus alten Häusern müssen wir diese gläsernen Quadrate gerade wieder herausreißen." Markus Probst hat jedoch ganz spezielle Steine ausgewählt. Weil die Rillen an der Oberfläche quer verlaufen, erhöht sich die Lichtausbeute und die Strahlen erhellen nicht nur die Stufen, sondern sie reichen bis tief in die Hausmitte. Der einzige Schwachpunkt der gläsernen Fassade: Das Treppenhaus ist im Winter um einige Grad kälter, im Sommer heißer als die benachbarten Wohnräume. Probst setzte deshalb Etagentüren aus Glas dazwischen und vermeidet so teuren Wärmeverlust.

Mit den Baukosten von 350.000 Euro pro Stadthaus haben Johannes und Markus Probst eine lebenswerte Alternative gebaut zu den geklonten Reihen- und Doppelhäuser, die sonst so typisch sind für flächensparende Nachverdichtung im engsten Stadtraum.

Daten zum Haus

Reine Baukosten pro Stadthaus (ohne Grundstücks- und Planungskosten): 350.000 Euro

Massive Bauweise: Kerngedämmter Beton mit verputzter Ziegelmauer verkleidet als Wärmeschutz.

Planung bis Fertigstellung: 1997 bis 1999

Wohn- und Nutzfläche pro Haus: 200 qm

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