Begrenzte Ölvorräte:Die Zukunft ist auf Sand gebaut

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Die Experten streiten darüber, wann die Menschheit kein Öl mehr hat.

Jeanne Rubner

Es ist schon paradox. Da verfügen die Geologen über immer ausgefeiltere Techniken, um unter die Erdkruste zu schauen. Mit Schallwellen können sie die Gesteinsschichten abtasten und die Ölreserven dieser Welt abschätzen. Und dennoch streiten Experten heftig darüber, wann die Vorräte des begehrten Rohstoffes aufgebraucht sein werden. Und wann das Maximum der Fördermenge - "Peak Oil" in der Fachsprache - erreicht sein wird.

Danach würde die Ausbeute stetig abnehmen. Für die einen wie Matthew Simmons ist Peak Oil bereits überschritten, der Investmentbanker und frühere Berater von US-Präsident George W. Bush stützt sich dabei auf die Beobachtung, dass die paar Super-Ölfelder der Welt wie das saudi-arabische Ghawar erste Anzeichen des Versiegens zeigen; andere prophezeien Peak Oil für das Jahr 2020, weitere wiederum frühestens für 2040.

Technischer Forschritt hilft

Wie groß die Reserven der Menschheit sind, ist entscheidend für die Entwicklung des Ölpreises. Wie lange also wird Öl noch fließen, das "Lebensblut der Zivilisationen", wie es der amerikanische Energieexperte Daniel Yergin einmal genannt hat? Geologische Schätzungen sind auch deshalb schwierig, weil die Technik der Exploration stetig Fortschritte macht.

Heute kann man weitaus tiefer bohren als noch vor 20, 30 Jahren und Quellen anzapfen, von denen man früher nicht zu träumen wagte. Zum Beispiel die Vorkommen in der Tiefsee.

Oder Kanadas gigantische Ölreserven von schätzungsweise 24 Milliarden Tonnen, die nicht in konventionellen Feldern lagern, sondern in Ölsanden, aus denen der Rohstoff sich nur mit großem Aufwand und erheblichen Schäden für die Umwelt herausholen lässt. Das weiß man seit den siebziger Jahren. Damals, als der Ölpreis niedrig war, lohnte sich die Ausbeutung der Sande nicht, beim heutigen Preis von fast 100 Dollar pro Fass aber durchaus.

Fest steht allerdings, dass in der westlichen Welt die konventionellen Reserven zur Neige gehen. Ob USA, Mexiko, Großbritannien und Norwegen - die Ölstaaten der industrialisierten Welt fördern immer weniger. Damit nimmt das Gewicht der Opec-Staaten zu, vor allem der des Nahen Ostens, wo drei Viertel der weltweiten konventionellen Reserven vermutet werden.

Wie groß diese sind, ist schwer zu sagen. Viele Opec-Mitglieder lassen unabhängige Experten gar nicht ins Land, die Vorhersagen stammen von den Regierungen beziehungsweise den Fördergesellschaften vor Ort. Dass diese sich zunehmend in staatlicher Hand befinden, fördert die Geheimniskrämerei.

Saudi-Arabien zum Beispiel beziffert seit mehr als 15 Jahren seine Reserven auf etwa 260 Milliarden Fass, obwohl das Land im selben Zeitraum um die 150 Milliarden Fass gefördert hat - und obwohl keine neuen großen Ölfelder entdeckt wurden. Auch die Vorräte des Golfstaats Kuwait - immerhin derzeit offiziell hundert Milliarden Fass - wuchsen Mitte der Achtziger Jahre innerhalb von zwölf Monaten um wundersame 50 Prozent.

Die überraschende Vermehrung dürfte größtenteils daran liegen, dass die Opec seit 1985 die Förderquoten abhängig von den Reserven festlegt - wer viel verdienen will, gibt deshalb üppig Vorräte an. Nach einer Schätzung des Magazins Petroleum Intelligence Weekly sind nur die Hälfte der Reserven Kuwaits belegt. Das gilt auch für die Ölmacht Iran: Der frühere iranische Ölmanager Ali Bakhtiari bezeichnete in einem Interview mit einer kanadischen Zeitung 50 Prozent der offiziell mit 140 Milliarden Fass angegebenen Vorräte als "zweifelhaft".

Im Gegensatz zu unabhängigen Experten wiegeln die Ölkonzerne gerne ab. Laut Exxon haben sich die Vorräte deutlich erhöht, eben auf Grund der Ölsande und der Tiefsee-Vorkommen. In einem Punkt aber sind sich die Fachleute einig. Die Zeit des billigen Öls ist vorbei. Irgendwann in diesem Jahrhundert werden die großen Ölfelder des Nahen Ostens tatsächlich versiegen. Und der Preis des Rohstoffs wird durch die teure Ausbeutung der Hunderttausende Quadratkilometer Ölsande in Kanada und Venezuela nicht sinken.

© SZ vom 8.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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