Baustoff Ziegel:Robust wie Elefantenhaut

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Ob kompakt oder porös: Der Menschheit ältester Baustoff schützt vor Lärm, Wind und Wetter und wird den Bauherren auch in Zukunft nicht von der Seite weichen.

Antje Rößler

Ihren berühmten Turm errichteten die Babylonier einst aus Ziegeln. Tonhaltiger Lehm, der geformt und gebrannt wird, ist das älteste von Menschenhand geschaffene Baumaterial schlechthin. Und noch heute bestehen fast 60 Prozent aller Wohnhäuser Europas daraus. Was die Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten angeht, ist dieser Baustoff kaum zu übertreffen: Wärmedämmende Mauerziegel bilden die Außenwand; Vormauerziegel und Klinker werden vor Fassaden gesetzt. Pflasterklinker für Terrassen, Wege und Einfahrten sowie Dachziegel ergänzen die Bandbreite.

Der Baustoff Ziegel schützt vor Lärm, Wind und Wetter und sorgt außerdem für ein gesundes Raumklima. (Foto: Foto: iStock)

Regionale Vorlieben

Die Architektin Waltraud Vogler, Geschäftsführerin des Ziegel Zentrums Süd, geht ins Detail: "Mauerziegel werden bei etwa 950 Grad Celsius gebrannt und in der Regel verputzt, um sie vor Witterungseinflüssen zu schützen. Vormauerziegel hingegen sind frostbeständig und finden unverputzt als Sichtmauerwerk und Verblendung Einsatz." Die hochwertigste Variante der Vormauerziegel sind Klinker, die bei 1200 Grad gebrannt werden. "Durch die hohe Temperatur schließt sich die Oberfläche, sodass eine schützende Schicht entsteht. Diese sorgt dafür, dass die Fassade nicht verschmutzt, sondern im Laufe der Zeit eher zusätzlich an Reiz gewinnt", ergänzt Vogler. Der Begriff Backstein meint übrigens nichts anderes als Klinker, nur wird er eher für historische Bauten und in der Schweiz gebraucht.

In Deutschland sind Ziegelhäuser überall zu finden. Es gibt jedoch regionale Vorlieben bezüglich der Bauweise. "Die Norddeutschen lieben Ziegel als vorgeblendete Sichtmauer. Im Süden hingegen baut man die tragende Wand aus Ziegeln und verputzt sie dann", erklärt Martin Roth, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie. Was das Dach angeht, herrsche bundesweit Einigkeit. "Dachziegel sind in Deutschland die häufigste Dachbedeckung. Man findet sie auf jedem zweiten geneigten Dach", fährt Roth fort. Auch beim Mauerwerk kommen Ziegel nach Angaben des Dachverbandes der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerksbau auf einen Marktanteil von 46 Prozent.

Baubiologisch einwandfrei

Martin Roth ist von den Vorzügen eines Ziegelhauses überzeugt: "Solch ein Bauwerk gibt Sturm, Hochwasser und Feuer nicht so leicht nach." Ein weiterer Vorteil sei der Schallschutz. "Die Schalldämmwerte von Ziegelwänden liegen über denen der meisten Leichtkonstruktionen." Schlagregen, Hitze und Frost können Ziegeln nichts anhaben, ebenso wenig Säuren und Laugen. Als Naturprodukt sind sie baubiologisch einwandfrei. "Ziegel geben keinerlei Schwermetalle, Gifte, Gase oder Feinstaub ab", erklärt Roth.

Außerdem wirken sie wie natürliche Klimaanlagen: Steigt die Luftfeuchtigkeit, so nimmt die Wand einen Großteil davon auf und gibt sie später wieder ab. "Feuchte Wände sind also ausgeschlossen und Schimmelbildung hat keine Chance. Ein angenehmes Raumklima ist die Folge", bilanziert Roth. Und sollte das Haus abgerissen werden, so sind die Ziegel schadstofffrei abbaubar und sogar wiederverwertbar.

Jeder Stein ein Unikat

Überdies bestechen Ziegel durch eine Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten in Form und Farbe. Die Farbpalette reicht von gelben und roten Tönen über Braun bis hin zu Blau und Anthrazit. "Die Farbe hängt von der Art des Tons und dem Brennvorgang ab", erklärt der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie. "Letztlich ist jeder Stein ein Unikat." Die Farben verblassen weder noch lassen sie sich durch Niederschläge auswaschen. Weitere Farbeffekte kann man durch Glasieren oder Färben der Steine erreichen.

Im tragenden Mauerwerk findet der traditionelle Ziegel heute kaum noch Anwendung. Ein moderner Nachfolger hat ihn abgelöst: der poröse Ziegel, der beim Brennvorgang mit entzündlichen Stoffen vermengt wird, die unzählige kleine Poren hinterlassen. Die vielen Löcher machen den Ziegel einerseits leichter und ermöglichen damit auch größere Formate, andererseits wirkt die eingemauerte Luft wie ein zusätzliches Wärmepolster. Nach Herstellerangaben können mit porösen Ziegeln die Standards eines Passiv-Hauses inzwischen ohne zusätzliche Dämmung erreicht werden.

Der Menschheit ältester Baustoff

Den Berliner Architekten Matthias Gorenflos besticht vor allem die einfache Anwendung dieser Ziegel-Neuentwicklungen. "Man benötigt nicht eine tragende und eine dämmende Schicht, sondern baut einfach eine einzige Wand, die dann verputzt wird." Allerdings müsse man berücksichtigen, dass "die Trägfähigkeit des Materials begrenzt ist. Poröse Ziegel sind daher weder für sehr ausgefallene Architektur noch für hohe Gebäude geeignet". Insgesamt fällt das Fazit des Architekten positiv aus: "Mit porösen Ziegeln bekommt man zu einem sehr guten Preis eine gute Wand." Auch Martin Roth vom Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie schätzt die modernen Ziegelvarianten: "Die Wärmedämmung ist besser als bei traditionellen Ziegeln. Dadurch verringern sich auch die Heizkosten." Ob traditionell kompakt oder fortschrittlich porös - der Menschheit ältester Baustoff wird die Bauherren auch in der Zukunft begleiten.

© SZ vom 26.09.2008/jw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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