Baurecht:Verordnungen bringen Unordnung

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Die Baubranche wird von mehreren Behörden gegängelt, aber die hohen Ziele gehen bei der Umsetzung an der Realität vorbei. Eine Deregulierung soll nun Besserung schaffen.

Adnan Abali ist schon dort, wo viele noch hin sollen, statt über Wirtschaftskrise und Sozialabbau zu lamentieren. Er ist einer, der was macht, ein Unternehmer. Doch als Unternehmer in der Baubranche ist es mit dem Machen so eine Sache: "Alleine die Genehmigungsverfahren im Hochbau sind eine halbe Katastrophe. Sie können sich bis zu drei Jahre hinziehen und man hat es mit bis zu 18 Behörden zu tun", berichtet Abali von seinen Erfahrungen. Auch beim Tiefbau sei es unübersichtlich, jede Kommune verfahre beim Wasserrecht anders. Abalis Unternehmen mit Sitz in Berlin, baut auch in Brandenburg. Je nach dem, wo sich eine Baustelle befindet, wird nach Tarif Ost (Brandenburg) oder West (Berlin) bezahlt. Ein Bauarbeiter bekommt für gleiche Arbeit unterschiedliche Löhne je nach Lage der Baustelle. Was für die Lohnempfänger schwer nachvollziehbar ist, verkompliziert auch die Buchführung des Unternehmers.

Unnötige Gängelei

Dass bürokratischer Wildwuchs in vielen Einzelfällen die Baubranche unnötig gängelt, kann auch Christian Lieberknecht, Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbandes deutscher Wohnungsunternehmen (GdW), an vielen Beispielen darlegen.

Die Bauabzugsteuer etwa: Um Steuerhinterziehungen bei Subunternehmen einen Riegel vorzuschieben, sollen Bauherren einen Teilbetrag der Rechnung direkt ans Finanzamt abführen. Weil das für viele Bauunternehmer eine erhebliche Belastung darstellen würde, kann eine Freistellung beantragt werden. "Diese Freistellung wird in der Regel erteilt", erläutert Lieberknecht. Ergo: "Da wird Aufwand für Unternehmen und Ämter produziert, aber der Ertrag ist gleich Null."

Architekten ohne Honorar-Maßstab

Die "HOAI" zumindest könnte ein baldiges Ende zu finden. Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure legt genau fest, was gezahlt werden muss - gekoppelt an die Summe des Bauprojekts. Der Haken: Wenn die Planer daran verdienen, schießen die Baukosten schnell in die Höhe. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) will die Honorarverordnung durch eine unverbindliche Preisempfehlung ersetzen. Dereguliert werden soll auch durch den Abbau von Subventionen. Die Eigenheimzulage etwa steht zur Debatte.

Jedem Land sein eigenes Recht

"So schön die Ziele vieler Verordnungen und Gesetze sind, so realitätsfern ist oft die konkrete Umsetzung", sagt Jürgen Strobel, technischer Referent des GdW. Das Zusammenspiel zwischen Bundes- und Landesebene sei unter anderem verbesserungsbedürftig. Baurecht ist Ländersache. Eine Musterbauordnung auf Bundesebene - im vergangenen Jahr überarbeitet - dient den Ländern als Vorlage, wird allerdings unterschiedlich ausgelegt. Hinzu kommt: Die Planungshoheit liegt bei den Kommunen. "Und die", so Strobel, "verlagern aufgrund eigener Haushaltsprobleme zunehmend Arbeit auf Investoren."

Beispiel Nordrhein-Westfalen: Die so genannte Nachbarschaftszustimmung, bei manchen Baugenehmigungen erforderlich, wird von vielen Kommunen nicht mehr selbst eingeholt. Das müssen nun die Bauherren tun. "Wenn das Verhältnis mit dem Nachbarn gerade ohnehin nicht so rosig aussieht, wird das zum Problem." Strobel verweist auf die Niederlande: "Ein einfacheres Baugesetz, das zudem für alle Beteiligten preiswerter ist."

Neue Pläne in der Leitung

Detlef Lupp hingegen, Geschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbandes (BBIV) hält Deregulierung für dringend geboten. Und da liege der Freistaat vorn: "In Bayern steht eine neue Welle der Flurbereinigung ins Haus." Im Juli veröffentlichte die Deregulierungskommission der Bayerischen Staatsregierung ihren Bericht. Von den Vorschlägen, die auch die Baubranche betreffen, verspricht Lupp sich Besserungen: Gesetze sollen künftig nur noch befristet erlassen, Genehmigungsverfahren zeitlich befristet werden. Auch die Baugenehmigungen im gewerblichen Bereich sollen entschlackt werden - ähnlich den Verfahren im privaten Baubereich. Das Kabinett wird am 9. September über erste Schritte entscheiden. "Nach den Novellierungen 1994 und 1998 wären wir damit einen entscheidenden dritten Schritt weiter", sagt Lupp.

Beteiligte oft überfordert

Andere sind da skeptischer. Marie-Luis Wallraven-Lindl etwa. Sie hat viele Jahre praktische Erfahrungen in der Bauleitplanung gesammelt, in leitender Funktion bei der Münchener Bauverwaltung. "Ständige Novellierungen überfordern Bauwirtschaft und Behörden." Neue Gesetze bräuchten ihre Zeit, sich in der Praxis zu bewähren. Nicht zuletzt die Verschränkung von EU-, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene verkompliziere und verzögere viele Verfahren im Baubereich. Als praktischen Leitfaden für den Verordnungs- und Genehmigungsirrgarten hat Wallraven-Lindl gemeinsam mit Horst O. Taft "Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans" geschrieben.

Für Abali wird die Orientierung ab 1. September auch ohne Kompass etwas einfacher: In Brandenburg wird statt der bis zu 18 Behörden dann das Bauamt einziger Ansprechpartner für Bauunternehmer sein. Das ist für den Unternehmer indes nur eine halbe Reform, denn in Berlin bleibt alles beim Alten.

© Von Lars Klaaßen - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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