Bauma 2007:Kick durch den Knicklenker

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In Riem hat auf 540.000 Quadratmetern die größte Messe der Welt begonnen. Kettensägen, Kehrmaschinen und Krankolosse buhlen auf der Bauma um die Aufmerksamkeit der meist männlichen Besucher.

Von Julius Müller-Meiningen

Wem es in dieser Woche einmal passieren sollte, die U-Bahn-Linie 2 in Richtung Messegelände benutzen zu müssen, dem sei gesagt: Bei den fast ausschließlich männlichen Fahrgästen aus aller Welt, die sich wie zu WM-Zeiten in den Wagen drängen, handelt es sich nicht um Fußballfans.

Ein unbestrittener Liebling der Bauma: der Mining Truck mit rund 500 Tonnen Lebendgewicht (Foto: Foto: Schätzl)

Obwohl es fast den Anschein hat, wenn sich hier dicht an dicht eine Gruppe Polohemden tragender Norweger mit ins Haar gesteckten Sonnenbrillen an mehreren gestandenen polnischen Bauunternehmern, heute im Nadelstreifentrikot, vorbeizwängt. Zugegeben, auch Sprechchöre gibt es nicht und auch kein Schunkeln.

Angekommen an der Haltestelle Messestadt West wünscht man sich gegenseitig dann aber doch "Good luck" und "All the best". Nur dass das Spiel heute nicht Norwegen gegen Polen heißt, sondern Bauma 2007: Die größte Baumaschinenmesse der Welt mit mehr als 3000 Ausstellern aus 49 verschiedenen Ländern hat begonnen.

Archaische Rituale

Wer an der Parallele zur Fußballwelt noch Zweifel haben sollte, der muss nur ein paar Schritte weiter gehen in Richtung der 540 000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche. Gleich hinter dem Eingang beginnt der Atriumbereich der Messe, und dort sind am Montag um zehn Uhr früh bereits die meisten Tische, Bänke und Biergläser gefüllt. Vielleicht eine erste sinnliche Vorbereitung auf die nun anlaufende, sich mit zunehmendem Verlauf beinahe zu archaischem Ritual steigernde Baumaschinenbeschau?

Baumaschinenbeschau, das klingt nach Fleischbeschau und trifft im Kern auch zu. In einer der vorderen Hallen die erste Rudelbildung: Ein paar Männer sind fasziniert von einer Videoleinwand, auf der ein Luftdruckstrahler seine ganze reinigende Potenz demonstriert. Im nächsten Durchgang eine sich kraftvoll in Beton bohrende Kettensäge, kurz dahinter warten bei Heavy-Metal-Klängen zwei Baumstämme darauf, von sogenannten Timber-Sportlern und ihren Motorsägen zurechtgestutzt zu werden.

In den 16 Messehallen buhlen Kehrmaschinen, knickgelenkte Muldenkipper und Raupenträger um die Gunst der Männer. Nur ganz vereinzelt haben sich auch weibliche Wesen hergewagt. Selbst Baumaschinen-Grünschnäbeln gelingt es kaum, den lüsternen Blick von einer in gleißendes Licht getauchten Nutzfahrzeug-Armada zu wenden.

Größe als entscheidende Kategorie

Plötzlich, beim Betreten der Freiflächen im Ostteil des Messegeländes, der Lärm wummernder Motoren. Riesige Bagger, Räumfahrzeuge und Transporter fahren in einer eigens angelegten Arena aus Kies eine Parade, tun, als schaufelten oder baggerten sie wie auf einer richtigen Baustelle. Es scheint, als sei Größe hier die entscheidende Kategorie. Rechts von der Arena ist eine Zuschauertribüne aufgestellt, von der aus Ältere wie Jüngere gebannt auf das Kreisen der lauten Ungetüme blicken. Der Mann wird hier zum Jungen, zurückversetzt in süße Kindheitsträume. Einmal so einen großen Bagger fahren!

Für Lea, fünf Jahre alt, und ihren zweijährigen Bruder Magnus, die mit Papa und Mama aus dem Münchner Osten gekommen sind, eine unerreichbare Vorstellung. Auch sie lassen kaum einen Moment die mannshohen Reifen und die großen Schaufeln aus den Augen. "Das Riesending von Liebherr" ein paar Stände weiter will sich die Familie gleich noch anschauen.

Das Ungetüm

Vorbei an phallisch in den Münchner Himmel ragenden Kränen, Bohrtürmen, Hebebühnen und Greifarmen kommt der Besucher bald zum größten Messestand, dem 13.000 Quadratmeter großen Spielplatz der Firma Liebherr. Hier wiederum ist Nick Palmieri der Star, ein kleiner Mann mit Kappe und Armani-Sonnenbrille: Ihm gehört der Größte. Alle drängen sich um Palmieri, der befugt ist, den weißen, haushohen Muldenkipper zu bedienen und erlauchter Gesellschaft oder guten Geschäftspartnern einen Blick in das Führerhäuschen dieses im Bergbau verwendeten Fahrzeugs zu gewähren. 3,6 Meter Reifendurchmesser, 290 Tonnen Ladevermögen, etwa 2,5 Millionen Euro Kaufpreis. "Isch ganz einfach zu bedienen", sagt der aus dem Elsass stammende Palmieri. "Anlassen, aufwärmen lassen, Vorwärtsgang einlegen."

Ebenso einfach, aber in ihrer Bedeutung doch etwas komplexer sind die überall zu beobachtenden Annäherungen der Bewunderer an die Objekte. Nahezu liebevoll streicht manch einer mit der flachen Hand über den glatten Lack des Laders. "Schon ein Wilder", kommentiert ein bärtiger, staunender Messebesucher mit sonnengegerbtem Gesicht das überdimensionierte Fahrzeug.

Ein paar Meter weiter, vorbei an Straßenfertigern, Teerfahrzeugen und Walzen, steht der 35 Meter hohe Asphaltmischturm der Schweizer Firma Ammann. Von oben hat man einen schönen Rundblick auf den Maschinenrummel auf Erden. Und Beat Weber, Angestellter bei Ammann, hat von hier aus einen unverstellten Blick auf die Konkurrenz. "Da die Türken, hier die Deutschen und dort die neue Konkurrenz aus China", sagt er und deutet in die jeweilige Richtung. Ob es denn die kleinen alten Betonmischer noch gibt? "Bestimmt", sagt Weber. Aber für das Sortiment seiner Firma sei so etwas einfach zu klein.

© SZ vom 24. April 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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