Bauen in der Zukunft:"Deutschland braucht Bewegung, Rotation!"

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Eine Fertighausfirma will Singles und Großstadtnomaden bedienen und hat dafür Designer Luigi Colani engagiert: Per Knopfdruck kommt nun Bett, Bad oder Herd vorbei.

Von Olaf Przybilla

Oberleichtersbach - Einfach nur so dahin reden kann Colani nicht. Der 76-Jährige, der einst als Lutz auf die Welt kam und später als Luigi Design-Geschichte geschrieben hat, dieser Mann hält Ansprachen. Immer und überall. Und da ist es ihm auch ganz gleich, wenn er momentan nur eine grobe Bratwurst mit Senf auf Pappteller verspeisen soll, in einem unterfränkischen Bierzelt, dass sie im Gewerbegebiet zu Oberleichtersbach in der Rhön aufgebaut haben, weil hier die örtliche Fertighausfirma ihr 75-jähriges Jubiläum feiert.

Luigi Colani lässt sich durch so etwas nicht beirren, sein großes Thema ist: Dieses deutsche Schlaffi-Land! Lauter Schlappsäcke! Versager und Lahmdackel, wo man hinschaut! Und dem entgegen steht bloß noch: Ich, Luigi Colani.

Man muss dann immer artig abwarten, bis der Sohn eines Tessiners und einer Polin seine eruptiv wiederkehrenden Ausrufeperioden wider die Nation überwunden hat.

Dann, zwischen den Grundsatzreden, wurde es in Oberleichtersbach am Wochenende richtig spannend. Die Baufirma "Hanse Haus", die einst ihren Sitz von Lübeck-Travemünde in die Rhön verlegte, hat dort ein Fertighaus hingestellt, mit dem sie künftig "Singles und Großstadtnomaden" bedienen will.

Es ist nur 6 x 6 Meter groß, verfügt aber über einen "Funktionsrotor" von Colani. Dieser verdreifacht gleichsam die Nutzfläche des Hauses, darf der Großstadtnomade doch frei darüber verfügen, ob er an der Hinterwand seines Kleinhauses gerade schlafen, baden oder sich ein Schnitzel braten will.

Ein Knopfdruck - und der Rotor bringt ihm wahlweise Bett, Bad oder Herd. Man wolle, erklärt der Geschäftsführer des Unternehmens Johannes Humberg, endlich weg vom angestaubten Image der "erzkonservativen Fertigbauszene".

Und an dieser Stelle nun kommt Luigi Colani ins Spiel, der Mann, der Ideen für die NASA lieferte, futuristische Hubschrauber und Bügelbretter entworfen hat und zuletzt auch noch die Polizei-Uniformen für den damaligen Hamburger Innensenator Ronald Schill.

Ihm haben die Fertighausbauer ein paar wagemutige Skizzen auf den Tisch gelegt, die der Design-Papst dann aber gleich in die Ablage getan und der fränkischen Firma mitgeteilt hat, dass er da längst etwas ganz anderes in der Schublade habe.

Schließlich hat man ihn schon vor über zwanzig Jahren damit beauftragt, innerhalb Schanghais eine Kleinstadt für etwa 15.000 Menschen mit Individualhäusern auf engstem Raum zu entwerfen. Die Städtebauer in Schanghai überlegen noch immer, ob sie Colanis "Biocity" auch wirklich haben wollen.

Nun aber will Colani von Oberleichtersbach aus eine "Revolution in der Bauwelt" auslösen - mit dem seriell hergestellten Fertighaus samt Funktionsrotor. Freilich, das mit der Serienherstellung ist bei Colani immer so eine Sache.

"Nach einer zur Sensation aufgebauten Premiere", hat das Handelsblatt einmal böse über ihn geschrieben, verschwänden Colanis Ideen anschließend doch allzu oft in der Versenkung.

In Oberleichtersbach sind es dann auch vor allem die Fachjournalisten aus der Baubranche, die den Designer mit ihren Spezialfragen nach der Dunstabzugshaube zur Weißglut treiben: Das, brüllt Colani, sei doch das Leichteste auf der Welt! Den kleingeistigen Küchenfuzzis dieser Welt werde er es schon noch zeigen! Deutschland brauche Bewegung, Rotation! Und überhaupt: Bislang habe schließlich noch nie irgendwo irgendeine Dunstabzugshaube wirklich funktioniert!

Wie man derlei profane Hürden in den Griff bekommen will, lässt sich in Oberleichtersbach momentan noch nicht recht absehen. Im Prototyp des "Rotorhauses" könnten die Singles und Stadtnomaden nur das pfirsichfarbene Schlafgemach nutzen, rotierende Küche und Bad existieren dagegen lediglich als "Studie".

"Was das Colani-Haus kosten würde, sollte es tatsächlich in Serie gehen, vermag man in der Rhön ¸¸zum jetzigen Zeitpunkt" nicht zu sagen. Auf jeden Fall aber soll es, versichert der Geschäftsführer, öfter gebaut werden als das FC-Bayern-Fanhaus, mit dem es Hanse Haus vor einiger Zeit in die Schlagzeilen schaffte. Richtig schwierig ist das nicht: Das Haus mit FC-Bayern-Giebel und Torwand-Carport wurde bislang genau einmal gebaut.

© SZ vom 20.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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