Bankhaus Reithinger:Nullsummenspiel mit hohem Profit

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Die Staatsanwälte ermitteln gegen den Bank-Eigentümer Klaus Thannhuber. Durch Buchungstricks sollten dem Staat Millionen abgeluchst werden.

Felix Berth

Klaus Thannhuber ist ein kreativer Geschäftsmann. Seine Spezialität sind feinsinnige Firmenkonstruktionen, und weil er seit mehr als zwanzig Jahren als Unternehmer aktiv ist, ähnelt sein Werk inzwischen einer spätgotischen Kathedrale: Die Grundrisse sind verwinkelt, die Fassaden beeindruckend, doch ob die Pfeiler im Inneren die Last wirklich tragen können, weiß eigentlich nur einer: der Architekt des Ganzen.

Mit undurchsichtigen Buchungen in der Bank Reithinger wurde versucht, den Staat zu schädigen. (Foto: Foto: dpa)

In den letzten Monaten häufen sich die schlechten Nachrichten für Thannhuber. Erst schloss die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht seine Privatbank Reithinger.

Derzeit bereitet die Staatsanwaltschaft Bielefeld eine Anklage vor, die ungemütlich werden könnte. Die Staatsanwälte werfen Thannhuber vor, bei einem kriminellen Geschäftbeteiligt gewesen zu sein, das dem deutschen Staat Eigenheimzulagen in Millionenhöhe abluchsen sollte.

Nur scheinbar sinnlose Buchungen

Der Beutezug erfolgte im Dezember 2003. Einige Finanzjongleure trafen sich, um einen Buchungskreislauf zu inszenieren, der vollkommen sinnlos wirkt.

Von dem Konto einer Firma DPDuraplan GmbH & Co. KG bei der Privatbank Reithinger ließen sie in 3095 einzelnen Überweisungen insgesamt 4,08 Millionen Euro auf ein Konto der Genossenschaft "Euranova" transferieren, das ebenfalls bei der Privatbank Reithinger geführt wurde.

Sofort ließen sie von diesem Konto Zahlungen in gleicher Höhe auf ein Konto einer dritten Firma bei der Reithinger Bank abgehen. Und schließlich flossen die gleichen Summen wieder zurück auf das ursprüngliche Konto von DPDuraplan GmbH & Co. KG.

Ein Nullsummenspiel, wie die Wirtschaftsprüfer Dohm, Schmidt und Janka in einem vertraulichen Brief feststellen: "Zum Ende eines Buchungstages hatte keine Gesellschaft einen wesentlichen Soll- oder Habensaldo auf ihren Konten ausgewiesen."

Den Sinn dieses Ringelspiels ahnt man, wenn man sich die Situation der Genossenschaft Euranova bei Halbzeit der Aktion vorstellt. Auf ihrem Konto waren 3095 Überweisungen eingegangen; jetzt "konnten Einzahlungen buchungstechnisch abgebildet werden, obwohl die beteiligten Gesellschaften über keine Liquidität verfügten", wie die Wirtschaftsprüfer schreiben.

"Abstimmung erforderlich"

Einen Zufall schließen sie aus: "Nur durch die Abstimmung der Gesellschaften war es möglich, dass taggenau eingehende und ausgehende Buchungen betragsgleich gebucht werden konnten." Sicher seien Mitarbeiter der Bank beteiligt gewesen.

Die Frage nach dem Nutzen lässt sich noch präziser beantworten, wenn man die Werbekampagne der Genossenschaft Euranova betrachtet. "Nutzen Sie das Geschenk vom Staat!", hieß es; 12,5Prozent Rendite versprach man Anlegern: Als Mitglieder einer Wohnungsbau-Genossenschaft könnten sie Eigenheimzulage beantragen, ohne eine Immobilie zu kaufen.

Den Wirtschaftsprüfern Dohm, Schmidt und Janka kam bei der Revision ein Verdacht: Möglicherweise versuchte Euranova sogar, bei Finanzämtern die Eigenheimzulage für Mitglieder zu bekommen, die nicht mit eigenem Geld an der Genossenschaft beteiligt waren.

Dann wären die 3095 Schein-Einzahlungen durchaus sinnvoll: Damit ließ sich belegen, dass die Genossenschaft 3095 zahlende Mitglieder und damit potentielle Empfänger der Eigenheimzulage habe.

Die Ahnung der Prüfer war offenbar berechtigt: Bei einer Stichprobe stellten sie fest, dass die Euranova in einigen Fällen vom Staat Zulagen verlangte, obwohl Anleger nichts eingezahlt hatten.

Drei Monate vor der Millionenbuchung hatten die Beteiligten das Geschäft vorbereitet. Weil das Bundesfinanzministerium Ende 2003 die Regeln für die Eigenheimzulage korrigieren wollte, einigte man sich kurz vorher auf die "Eckpunkte des Geschäftsmodells Euranova", die in einem Positionspapier festgeschrieben wurden.

Der Plan

Mehrere Unternehmen aus Thannhubers Firmengeflecht sollten ordentlich verdienen, wie das Strategiepapier vom 4. September 2003 auflistet:

-Das Bankhaus Reithinger wollte den angeworbenen, meist einkommensschwachen Genossen Kredite geben, mit denen sie ihre Anteile finanzieren sollten. Kosten: 1,5 Prozent Bearbeitungsgebühr sowie jährlich 8 Prozent Kreditzinsen.

-C & H Vermögensplan sollte von den Genossen für "Konzeption, Verwaltung und Abwicklung" 3,9 Prozent Gebühren bekommen; zusätzlich waren 11,60 Euro jährlich pro Mitglied vorgesehen. Diese Firma nennt Thannhuber zu hundert Prozent sein eigen.

-RFM sollte 2 Prozent Gebühren für eine "Finanzierungsgarantie" kassieren. Nach Ansicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist Thannhuber mit dieser Firma eng verflochten und erhält von ihr hohe Honorare.

-Der Vertrieb, der nicht von einer Thannhuber-Firma gesteuert wurde, durfte weitere 13 Prozent Gebühren verlangen.

Insgesamt sollte jeder Genosse mehr als zwanzig Prozent Gebühren zahlen. Kassiert wurde bei Eingang der ersten Rate der Eigenheimzulage; die Genossenschaft Euranova machte deshalb im Jahr 2003 hohe Verluste.

Anleger wissen sich nicht zu wehren

Deren "wesentliche Ursache sind Verkaufsprovisionen von 1,8 Millionen Euro", stellen die Wirtschaftsprüfer Dohm, Schmidt und Janka fest. "Für die Anleger war das Ganze ein unglaublich schlechtes Geschäft", sagt der Berliner Anwalt Christian Röhlke. Trotzdem ziehe kaum einer der etwa 5000 Genossen vor Gericht: "Die Euranova suchte sich Anleger, die sich meist nicht zu wehren wissen", so Röhlke.

Was wusste Thannhuber von diesen Geschäften? Die Staatsanwaltschaft Bielefeld geht davon aus, dass er eine aktive Rolle hatte und will ihn persönlich anklagen.

Für Thannhubers Detailkenntnis spricht auch das Positionspapier mit den "Eckpunkten des Geschäftsmodells Euranova", das das Modell im Detail beschreibt und der SZ vorliegt. Es wurde am 4. September 2003 per Fax übertragen; aufgedruckt wurde dabei die Fax-Nummer des Absenders - es ist die Nummer von Thannhubers Münchner Büro.

Er selbst bestreitet, etwas gewusst zu haben. Von den kreativen Buchungen im Dezember 2003 hatte der Eigentümer des Bankhauses Reithinger keine Kenntnis, erklärt Thannhubers Anwalt Michael Scheele.

Weil Thannhuber "in operative Geschäftsabläufe nicht eingebunden war", könne er "ohne entsprechende Recherchen" auch nicht sagen, welche Gebühren flossen und ob er das gefaxte Strategiepapier kannte.

© SZ vom 08.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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