Bankgeheimnis:Die Schweiz knickt ein

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Die Schweizer Regierung macht den Kurswechsel beim Bankgeheimnis jetzt zur offiziellen Politik und weicht den Schutz für Steuerhinterzieher auf.

Gerd Zitzelsberger

Bundespräsident und Finanzminister Hans-Rudolf Merz ist nun auch bereit, gegenüber Europa den Schutz für Steuerhinterzieher aufzuweichen. Selbst führende Bankiers der Schweiz sperren sich seit dem Wochenende nicht mehr dagegen, das Bankgeheimnis einzuschränken.

Die Schweizer Landesfahne am Großen Aletschgletscher. (Foto: Foto: dpa)

Forderungen aus Washington

Den Hintergrund bilden zum einen die Auslieferung der Kontodaten von 300 Kunden der Bank UBS an die USA vor einer Woche und weitere Forderungen aus Washington. Zum anderen fürchten die Schweizer, bei einer Blockadepolitik von den 20 großen Wirtschaftsnationen auf eine Schwarze Liste gesetzt zu werden. Damit dürfte auch Österreich verstärkt unter Druck geraten. Das Nachbarland zeigt sich als einziges EU-Mitglied beim Bankgeheimnis weiter hartleibig.

Noch Anfang vergangener Woche lautete die Sprachregelung der Schweizer Politik, die Datenauslieferung an die USA sei ein einmaliger Fall, im Grundsatz bleibe das Bankgeheimnis unverhandelbar. Am Wochenende hat Finanzminister Merz jedoch neue Töne angeschlagen. "Gewisse Tatbestände" müssten diskutabel sein, und "vielleicht werden wir in dem einen oder anderen Fall Zugeständnisse machen müssen", sagte Merz bei einer Delegierten-Versammlung seiner Freisinnigen Partei (FDP).

Parteifreunde von Merz aus der zweiten Reihe wurden bereits deutlicher: "Das Bankkundengeheimnis muss modifiziert werden. Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung ist auf Dauer nicht zu halten", sagte der Finanzchef der Stadt Zürich, Martin Vollenwyder, am Wochenende in einem Interview. Ähnlich äußerte sich der FDP-Politiker Christian Wanner: "Wenn nötig, muss die Schweiz Kompromisse eingehen, die über die gegenwärtige Zinsbesteuerung hinausgehen." Wanner ist der oberste Repräsentant der kantonalen Finanzminister.

Selbst Oswald Grübel, der neue Vorstandsvorsitzende der krisengeschüttelten Zürcher Großbank UBS, äußerte sich ähnlich: "Es ist fraglich, ob wir weiterhin unter dem Bankgeheimnis Steuerhinterzieher verstecken können", sagte er der Zeitung Finanz und Wirtschaft. Das Bankgeheimnis müsse angepasst werden, damit die Schweiz es am Ende nicht ganz verliere. Auch Außenministerin Micheline Calmy-Rey (Sozialdemokraten) ließ erkennen, dass die Schweizer Regierung umschwenkt. "Wir sind ein kooperatives Land" und "gehören nicht auf eine schwarze Liste", sagte sie der Zürcher SonntagsZeitung. Die Schweiz sei "keine Steueroase, und wir schützen keinen Steuerbetrug".

Zweifel aus Berlin, Paris und London

Genau das bezweifeln die EU sowie die Regierungen in Berlin, Paris und London. Anlass dazu bietet ein Rechtshilfegesuch der Staatsanwaltschaft Bielefeld, das am 28. Oktober 2008 vom Schweizer Bundesstrafgericht zurückgewiesen wurde. Die Staatsanwälte hatten Auskunft über die Schweizer Konten eines deutschen Steuerpflichtigen verlangt, der mutmaßlich eine Tarnfirma auf den britischen Jungferninseln zur Steuerverkürzung nutzte.

Nach Schweizer Recht stelle die Errichtung einer solchen Briefkastengesellschaft "kein undurchschaubares Lügengebäude" dar. Deshalb, so das Bundesstrafgericht, handle es sich nicht um arglistigen Abgabenbetrug, sondern allenfalls um Steuerhinterziehung. Diese aber sei nicht rechtshilfefähig.

Den US-Behörden hat die Schweiz dagegen vor zehn Tagen in 300 Fällen Kontodaten herausgegeben. Es handle sich nicht um Steuerhinterziehung, sondern um Betrug, begründeten Finanzminister Merz und die UBS die Datenlieferung. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht hatte die Herausgabe gleichzeitig aus politischen Gründen angeordnet: Die US-Regierung werde andernfalls solchen Druck auf die UBS ausüben, dass deren Existenz gefährdet sei.

© SZ vom 02.03.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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