Bankenexperte Wolfgang Gerke:"Ein Fass ohne Boden"

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Unendliche Krise an den Finanzmärkten: Warum die US-Regierung ihr Verhalten ändern muss, global tätige Hedge-Fonds als Nächstes Opfer der Misere werden - und auf was sich die deutschen Banken einstellen müssen, erklärt Börsenexperte Wolfgang Gerke.

Melanie Ahlemeier

Professor Wolfgang Gerke hat einen Lehrstuhl für Bank- und Börsenwesen an der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim nimmt er außerdem eine Forschungsprofessur wahr.

Wolfgang Gerke: "Amerika muss den eigenen Haushalt in Ordnung bringen." (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Die amerikanische Investmentbank JP Morgan schluckt das von der Pleite bedrohte Institut Bear Stearns zum Spottpreis von gerade mal 236 Millionen Dollar. Welche Hiobsbotschaft bringt die US-Finanzkrise noch?

Wolfgang Gerke: Man muss sich überlegen, ob es für eine Bank, die kurz vor dem Zusammenbruch steht, wirklich ein Spottpreis ist. Der Preis ist aus der Situation der Bank und der Märkte heraus entstanden. Als Nächstes müssen wir sehen, dass wir die Panik an den Märkten in den Griff bekommen.

sueddeutsche.de: Die US-Notenbank reagiert panisch. Sie verspricht billige Kredite und flutet den Geldmarkt. Ihr Tipp für die Fed?

Gerke: Momentan gleicht die Situation einem Fass ohne Boden. Vor allen Dingen hat die amerikanische Notenbank die Probleme produziert. Wir müssen Amerika animieren, jetzt für eine echte Lösung zu sorgen. Das heißt, Amerika wird nicht umhinkommen, den eigenen Haushalt in Ordnung zu bringen.

sueddeutsche.de: Die US-Regierung hat ein milliardenschweres Konjunkturprogramm verabschiedet, damit wird sich die Spiralwirkung noch einmal verschärfen.

Gerke: So ist es, man vertagt lediglich das Problem, das man hat.

sueddeutsche.de: Aus der US-Immobilienkrise wurde innerhalb weniger Monate eine globale Finanzkrise - wann wird die ausgestanden sein?

Gerke: Die Krise ist ausgestanden, wenn man wieder Vertrauen gewinnt. Vorher hat man mit dem vielen Geld, das im Markt war, in Euphorie gehandelt. Das konnte langfristig nicht gutgehen. Jetzt kommt auf die Euphorie natürlich das grausame Erwachen. Das wird uns das ganze Jahr beschäftigen. Da darf sich kein Land der Illusion hingeben, als könne es sich völlig abkoppeln.

sueddeutsche.de: Nach den öffentlichen Banken hat es nun die Investmentbanken getroffen. Wer ist als Nächstes dran?

Gerke: Die Hedge-Fonds kommen als Nächstes.

sueddeutsche.de: Und was ist mit den deutschen Banken?

Gerke: Die deutschen Banken werden einen zusätzlichen Abschreibungsbedarf bekommen, einfach weil die Märkte die Krise immer stärker verarbeiten. Dann hat man nicht nur Abschreibungen auf Subprime-Engagements, also auf faule Immobilienkredite, sondern auch Abschreibungen auf andere Titel, die man im Portfolio hält. Es ist die Frage, wie stark der Domino-Effekt sein wird.

sueddeutsche.de: In den USA wird derzeit eines ganz klar: Die Wall Street ist massiv von der US-Regierung abhängig. Haben die Amerikaner überhaupt die richtigen Konzepte, um dieser Krise Herr zu werden?

Gerke: Sie haben im Moment nicht die richtigen Konzepte. Sie können das Ganze nicht nur über die Fed zu lösen versuchen - und auch nicht über deficit spending, also über Staatsausgaben, die in die Verschuldung gehen. Sie müssen an der Grundstruktur der amerikanischen Wirtschaft arbeiten. In der Vergangenheit konnte Amerika sich immer hoch verschulden, weil hohe Renditen erwirtschaftet wurden. Aber da sind die asiatischen Länder allmählich attraktiver. Insofern muss Amerika jetzt erst einmal seine Hausaufgaben machen.

sueddeutsche.de: Welches sind die drei wichtigsten Aufgaben?

Gerke: Das Haushaltsdefizit konsolidieren. Außenpolitisch - das wäre ein wesentlicher Beitrag - das Irak-Engagement in den Griff bekommen - und als Drittes muss der Amerikaner lernen, dass man nicht nur auf Pump leben kann. Beim Europäer kann man manches in Sachen Sparen abschauen, in den USA aber geht die Sparquote gegen null.

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