Bambushaus in Darmstadt:Experimente mit exotischem Elan

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Wegen seiner Belastbarkeit und Elastizität findet Bambus als Baumaterial sogar hierzulande Anhänger. Zum Beispiel in einem Bürohaus.

Von Angelika Friedl

In einer der einstigen Jugendstil-Hochburgen, Darmstadt, steht heute Deutschlands erstes Bambushaus. Das einstöckige Bürohaus, das 2005 fertiggestellt wurde, ruht auf 33 Bambusstützen, die durch eine neuartige Technik miteinander verbunden wurden.

In Manizales, Kolumbien, musste ein Fußballfeld für eine gewisse Zeit Platz für den Zeri-Prototyp eines Bambuspavillons machen. (Foto: Foto: ots)

Bauherr Henry Nold, ein Anhänger des ökologischen Bauens, wünschte sich für das ganze Gebäude natürliche Baumaterialien. Das Projekt wurde vom Büro Shakti Haus entwickelt, das auf umweltgerechte Konstruktionen spezialisiert ist.

Die Wände errichteten die Architekten Susanne Körner und Tilman Schäberle auf der Basis leichter Holzrahmen, in die Strohballen gedrückt wurden - zum Schutz vor Temperaturschwankungen. Als Putz nutzen sie ein Lehmgemisch. Eiförmige Fenster und handgefertigte Kacheln aus Marokko schmücken die Innenräume.

Positive Energiebilanz

Für den tropischen Baustoff sprechen zahlreiche positive Eigenschaften. Bambus besitzt eine enorme Druck- und Zugfestigkeit und ist trotzdem leicht und elastisch. Auch die Energiebilanz der Pflanze kann sich sehen lassen. Es gibt kaum ein Gewächs, das so viel Kohlendioxid bindet. Und man kann ihm buchstäblich beim Wachsen zusehen - die Halme einzelner Arten schießen bis zu einem Meter pro Tag in die Höhe. Viele Bambusarten werden schon nach vier oder fünf Jahren geerntet, bei den meisten Bäumen dauert es dagegen 20 Jahre und mehr, bis das Holz geschlagen werden kann.

Trotz dieser Argumente, die für Bambus als Baustoff sprechen, gibt es bisher hierzulande noch keine Bauvorhaben in der Art des Darmstädter Vorzeigeprojekts. ,,Wir haben immer noch zu wenige Forschungsergebnisse über Bambus, das heißt, kaum gesicherte Werte und keine Baunormen. Auch über das Brandverhalten wissen wir noch zu wenig'', erklärt Evelin Rottke, Ingenieurin am Lehrstuhl für Tragkonstruktion der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen.

Wer sein Haus mit tragenden Bambusstützen bauen will, braucht eine Sondergenehmigung der obersten Baubehörde. ,,Die war jedoch einfach zu bekommen, weil wir ein positives Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung vorweisen konnten'', berichtet Christoph Tönges, Inhaber der Firma Conbam, die die Bambus-Stäbe für das Bürogebäude geliefert hatte.

Bildstrecke
:Das Shakti-Haus

In Darmstadt - einer der einstigen Jugendstil-Hochburgen - steht heute das vermutlich erste Bambushaus Deutschlands.

Kaum erforscht ist jedoch die Wetterbeständigkeit der Pflanze in unseren Breiten. Gebäude, in denen Bambus als tragende Konstruktion dient, sind auch in Europa rar gesät, allerdings gibt es einige Beispiele.

Zu den bekanntesten zählt der Vergiate Pavillon in der Nähe von Mailand, ein nach allen Seiten offenes Gebäude, das für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Der Pavillon ist so konstruiert, dass er auch Schneelasten mit einem Gewicht bis zu knapp anderthalb Tonnen aushalten kann.

Patentrezept konischer Stabanschluss

Aufsehen hatte der Zeri Pavillon des kolumbianischen Architekten Simón Vélez auf der Expo 2000 in Hannover erregt. Vélez, der Kirchen, Restaurants und Wohnhäuser gebaut hat, verhalf dem in Kolumbien als ,,Holz für die Armen'' verpönten Bambus auf diese Weise zu neuem Ansehen. In Asien dagegen ist Bambus ein vielgenutzter Baustoff. Repräsentative Gebäude werden aber auch dort nur noch selten aus Bambus errichtet, die Architekten dort setzen auf Stahl und Glas. Ihre Häuser, auch Hochhäuser von hundert Meter Höhe, bestücken die Asiaten jedoch immer noch gerne mit Bambusverkleidungen.

Auch die günstigen Materialkosten sprechen für Bambushäuser. So kosteten die Stützen für das Haus in Darmstadt etwa 1400 Euro. Doch die Löhne für die spezialisierten Handwerker trieben die Aufwendungen dann doch in die Höhe. Hinzu kommen die Transportkosten. Für den Häuserbau konnte man bisher die extreme Festigkeit des Bambus nicht richtig ausnutzen, da die Verbindungssysteme zu labil waren. Tönges entwickelte jedoch als Student zusammen mit Rottke an der Technischen Hochschule in Aachen den konischen Stabanschluss als neue Verbindungstechnik für Bambusstäbe.

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Die Nachfrage für Häuser, deren tragende Konstruktionen aus Bambus bestehen, ist dennoch in Deutschland derzeit nicht gerade groß. Evelin Rottke berichtet von einem städtebaulichen Projekt in Brandenburg, das aber noch nicht spruchreif sei und Christoph Tönges hat einige große Bauvorhaben in Planung, für die er aber noch auf die Zustimmung der Bauherren wartet.

Resistent gegen Pfennigabsätze

Immerhin boomt das Geschäft mit Fassaden und dekorativen Verkleidungen, für die eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist. So hat zum Beispiel der Zoo in Leipzig die Fassade seines Parkhauses kostengünstig mit unbehandeltem Bambus verkleidet und der Tropical-Island-Aquapark in Brandenburg schmückte seinen Kassenbereich mit aufwendigen Bambusabsperrungen.

Bei Lifestyle-orientierten Stadtmenschen ist derzeit Bambuslaminat oder Bambusparkett besonders im Trend. Das Material ist so belastbar, dass ihm auch Pfennigabsätze nicht schaden, denn die Oberfläche ist härter als bei Eichenholz, eine lange Lebensdauer praktisch garantiert. Luftfeuchtigkeit schadet dem Boden kaum, er kann also auch im Badezimmer verlegt werden. Nicht zuletzt genügt der Bambusboden auch ästhetischen Ansprüchen. Er wirkt, wegen seiner zarten Streifen-Musterung edel und elegant.

© SZ vom 16. 11. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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