Aussitzen ausgeschlossen:BGH stärkt Position des Vermieters

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Der häufigste Kündigungsgrund ist mittlerweile Eigenbedarf. Entfällt dieser aber nach Ablauf der Kündigungsfrist und vor Räumung der Wohnung - beispielsweise aufgrund eines längeren Rechststreits - muss dies dem Mieter nicht gemeldet werden.

Andrea Nasemann

Will der Vermieter dem Mieter kündigen, geht dies fast nur noch aus einem Grund: Eigenbedarf. Der Vermieter muss darlegen, dass er die Räume für sich, einen Familienangehörigen oder Angehörigen seines Haushalts braucht. Hat der Vermieter deswegen gekündigt und entfällt der Eigenbedarfsgrund danach, muss er den Mieter umgehend darüber informieren.

Unerwartetes Urteil: Entfällt der angemeldetete Eigenbedarf, muss dies der Vermieter nur noch bis zum Ende der Kündigungsfrist mitteilen. (Foto: Foto: dpa)

Informationspflicht - aber bis wann?

Viel Streit bestand in der Vergangenheit darüber, bis zu welchem Zeitpunkt die Mitteilungspflicht besteht. So ging man zuletzt davon aus, dass die Informationspflicht des Vermieters nicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht, sondern - im Falle einer verzögerten Räumung - bis die Wohnung geräumt ist.

Prozesse dienten teils dem Aussitzen

Das aber kann dauern. "Ein bis zwei Jahre kann sich ein Räumungsrechtsstreit schon hinziehen", weiß Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus und Grund München. Der Eigenbedarf entfalle häufig allein wegen dieses langen Prozesses. "Hat der Vermieter beispielsweise für seine schwangere Tochter gekündigt, musste die sich in der Zwischenzeit eine andere Wohnung suchen", so Stürzer.

Er begrüßt daher das neueste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Bislang galt, dass der Mieter, der nach der Kündigung auszieht nicht schlechter gestellt werden dürfe als der Mieter, der die Kündigung bis zur Räumung aussitzt.

Damit widersprach der BGH herrschender Rechtsmeinung. Ab sofort ist der Vermieter nur noch bis zum Ende der Kündigungsfrist verpflichtet, den Mieter zu informieren. (Urteil vom 9. November 2005, VIII ZR 339/04).

Mieterverein reagiert enttäuscht

Sibylle Färber, Geschäftsführerin des Münchner Mietervereins, bedauert die Entscheidung, die sie für unbillig hält. "Eigenbedarf ist an ein besonderes Verfügungsinteresse geknüpft. Sobald dieses nicht mehr vorhanden ist, sollte man dem Mieter den Umzug ersparen", meint Färber.

Einigkeit herrscht aber darüber, dass bei einem Entfallen des Eigenbedarfsgrundes während der Kündigungsfrist der Mieter umgehend informiert werden muss. Grund: Zieht der Mieter im Glauben an den Eigenbedarf aus, obwohl dieser in der Zwischenzeit gar nicht mehr besteht, hat er einen Schadensersatzanspruch.

Er kann dann nicht nur seine Makler- und Prozesskosten, sondern auch alle mit dem Umzug in Zusammenhang stehenden Kosten verlangen, ebenso wie die Mehrkosten für die Anmietung einer vergleichbaren Wohnung. Neben solchen zivilrechtlichen Folgen riskiert der Vermieter auch eine strafrechtliche Verurteilung wegen Betrugs.

© SZ vom 16.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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