Ausblick auf die Finanzmärkte:Zentralbank soll Zeichen setzen

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Nachdem nun fast alle großen Konzerne ihre Halbjahreszahlen vorgelegt haben, suchen die Aktienexperten nach neuen Interpretationshilfen. Sie hoffen dabei auf Signale der Europäischen Zentralbank.

Wenn die Marktbeobachter der großen Banken Recht behalten, dann steht den deutschen Aktienmärkten eine Orientierungsphase bevor: ,,Einen großen Spielraum nach oben sehe ich beim Dax in der kommenden Woche nicht'', sagt etwa Tammo Greetfeld von der HypoVereinsbank.

Auf der Hauptversammlung des Telekomunternehmens Mobilcom am Montag könnte es nochmal Streit um die vor einem Jahr beschlossene Fusion mit dem Internetunternehmen Freenet geben. (Foto: Foto: ddp)

,,Insgesamt überwiegen derzeit die Risiken, daher bleiben wir weiter vorsichtig'', schreiben die Analysten der Bankgesellschaft Berlin. Die Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP) ruft gar nach Interpretationshilfe von den Spitzenvertretern der Europäischen Zentralbank (EZB).

Wenige Firmennachrichten

Die Ratlosigkeit hat einen einfachen Grund. Nachdem bis auf Bayer alle Unternehmen aus dem wichtigsten deutschen Aktienindex Dax ihre Ergebnisse für das zurückliegende Quartal vorgelegt haben, sind von den Firmen zurzeit nur wenige Nachrichten zu erwarten.

Schon in der vergangenen Woche ging es auch mangels positiver Nachrichten an den deutschen Märkten etwas abwärts: Der Dax verlor 0,1 Prozent auf 5811 Punkte, der Mittelwerteindex MDax 1,1 Prozent auf 8042 Punkte, die Technologieindex TecDax gar 2,03 Prozent auf 647 Punkte.

Wie es mit den Unternehmen weitergeht, verrät den Anlegern deshalb zurzeit am ehesten ein Blick auf Wetter, Weltpolitik und Wirtschaftsentwicklung.

Verwischtes Gesamtbild

,,Die nächsten Tage halten interessante Daten bereit, die dem derzeit durch Nahostkonflikt und widersprüchliche Konjunktursignale verwischten Gesamtbild etwas mehr Profil verleihen dürften'', hofft Steffen Neumann von der LRP.

So trifft sich am Donnerstag der Europäische Zentralbankrat, um über den Zinssatz in der Eurozone zu entscheiden. Zwar rechnet niemand mit einer Erhöhung im September - Analysten und Anleger würden aber gerne wissen, wie groß die Zentralbank die Gefahr einer wirtschaftlichen Abkühlung vor allem in Amerika einschätzt.

,,EZB-Präsident Jean-Claude Trichet könnte eine Zinserhöhung Anfang Oktober vorbereiten'', sagt Manfred Jakob von der Bank SEB. Zurzeit beträgt der Leitzins für die Eurozone drei Prozent.

Bayer legt Quartalsbericht vor

Als letztes Dax-Unternehmen legt der Pharma- und Chemiekonzern Bayer am Dienstag seinen Geschäftsbericht für das abgelaufene Quartal vor. Investoren hoffen, Neues über die anstehende Integration des vor kurzem übernommenen Berliner Pharmakonzerns Schering zu erfahren.

Spätestens seit bei der Übernahme der Fluggesellschaft DBA durch den Ferienflieger Air Berlin darüber spekuliert worden war, ob TUI seinen Billigflieger HLX mit seiner Ferienfluggesellschaft Hapagfly zusammenführen könnte, ist auch die am Mittwoch beginnende Aufsichtsratssitzung des Touristikkonzerns ins Interesse der Anleger gerückt.

Laut könnte es am Montag noch einmal bei der Hauptversammlung von Mobilcom werden. Am Freitag hatten sich zwar sowohl Mobilcom als auch Freenet mit einigen ihrer Aktionäre geeinigt, die gegen die auf der Hauptversammlung vor einem Jahr beschlossene Fusion klagen. Nach wie vor gibt es aber einige, die sich gegen die Fusion wehren, weil sie ihrer Ansicht nach zu wenig für ihre Aktien bekommen haben.

Sorge um die Konjunktur in den USA

In Amerika reden die Pessimisten zurzeit wieder gerne vom Schreckgespenst der modernen Wirtschaft. ,,Wird es eine Rezession oder ist es nur ein leichter Abschwung'', orakeln einige amerikanische Volkswirte - die Anleger erhoffen sich Hinweise von mehreren Daten, die in der kommenden Woche veröffentlicht werden.

Das Interesse an den Zahlen könnte überlagert werden vom Interesse an einem Naturschauspiel: Am Sonntagmittag ist der tropische Sturm Ernesto zum Hurrikan hochgestuft worden und hat damit die Hurrikansaison in den USA eröffnet.

Von ihrem Verlauf hängt vor allem das Geschäft der von den ungewöhnlich vielen und kräftigen Wirbelstürmen des vergangenen Jahres gebeutelten Versicherungsunternehmen ab.

Stimmungstöter "Ernesto"

Schon in der vergangenen Woche hatten sich die Aktienkurse schlecht entwickelt: Der Dow-Jones-Index verlor 0,86 Prozent auf 11284 Punkte, der breiter angelegte S&P 500 0,55 Prozent auf 1295 Punkte, der Technologieindex Nasdaq Composite 1,09 Prozent auf 2140 Punkte. Sollte Ernesto schon zu Beginn der Hurrikansaison hohen Schaden anrichten, dürfte das die Stimmung eintrüben.

Die Angst vor einer Rezession war unter anderem dadurch entstanden, dass der Absatz neuer Eigenheime im Juli unerwartet stark gesunken war. ,,Die Abschwächung im Häusersektor ist größer als die Leute gedacht haben'', sagte Volkswirt Kurt Karl von Swiss Re New Markets.

Nun gebe es Sorgen vor einer Auswirkung auch auf die Konsumausgaben. Aufschluss darüber werden die Daten zum US-Verbrauchervertrauen im August geben, die am Dienstag veröffentlicht werden sollen; am Freitag präsentiert die Universität Michigan ihre endgültigen Zahlen.

Inflationseinschätzungen der US-Notenbank

Die weitere Zinsentwicklung dürfte vor allem vom Arbeitsmarktbericht abhängen, der ebenfalls am Freitag veröffentlicht werden soll. Einblick in die Inflationseinschätzungen der US-Notenbank dürfte das am Dienstag zur Veröffentlichung anstehende Protokoll der Sitzung des Offenmarktausschusses vom 8.August geben.

© SZ vom 28.08.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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