Aufweichung des Bankgeheimnisses:Schweizer Tricks

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Das Bankgeheimnis gehört zur Schweiz wie das Alphorn. Nun bröckelt es - doch vom ersten Schock haben sich die Eidgenossen erholt. Experten suchen schon neue Steuersparmodelle.

G. Zitzelsberger

Jedes Land hat seine Lebenslüge. In der Schweiz ist es das Bankgeheimnis. Vor 75 Jahren wurde es Gesetz und es gehört zum Image der Schweiz wie Alphorn und Jodler.

Stolze Schweiz: An Fluchtgeldern hat sie bislang gut verdient - ein bisschen soll das wohl auch so bleiben. (Foto: Foto: AP)

Die Eidgenossen hängen so sehr daran, dass die stimmenstärkste Partei, die SVP, per Volksinitiative um den Erhalt kämpfen will. Dabei ändert sich für die Schweizer selbst "gar nichts", sagte Finanzminister Hans-Rudolf Merz, als er ankündigte, ausländischen Behörden künftig etwas leichter Einblick in die Konten von Nicht-Schweizern zu geben.

Für die Schweizer Steuerzahler steht das Bankgeheimnis ohnehin nur auf dem Papier. Die Vorschrift verpflichtet Bankmitarbeiter unter Strafandrohung, Stillschweigen über die Finanzen ihrer Kunden zu bewahren. Der Fiskus darf nicht auf die Konten schauen.

Belege müssen beim Fiskus vorgezeigt werden

Die Abfrage ist auch gar nicht nötig: Bei der Einkommen- und Vermögensteuererklärung, zu der jeder Steuerzahler verpflichtet ist, müssen die Schweizer von sich aus Bankbelege über ihre Guthaben und Schulden zum Jahresultimo vorlegen. Wenn die Kontoauszüge fehlen, setzt das Finanzamt die Steuer nach eigenem Ermessen fest, und das wird teuer. Anders als in Deutschland müssen zur Feststellung des Vermögens, so klein es auch sein mag, die Belege vorgezeigt werden.

Ganz anders ist es bei Ausländern, die in der Schweiz nicht steuerpflichtig sind. Im Gegensatz zu den Schweizern selbst bietet das Bankgeheimnis ihnen bislang tatsächlich einen Schutz vor dem Fiskus.

Für diese Gruppe von Kunden haben die Banken Fluchtmodelle entwickelt, die haarscharf am Betrug vorbei führen. Bei "bloßer" Steuerhinterziehung aber gestattet die Schweiz ausländischen Behörden bislang keinen Blick auf die Konten, so handfest die Indizien auch sein mögen.

Trickreiche Definition

Der Schlüssel zu diesen Modellen ist die trickreiche Definition des Begriffs "Betrug". So gilt den Eidgenossen die Lüge nicht als Betrug, selbst wenn dem Sünder der Vorsatz nachzuweisen ist. Vielmehr müssten Delikte wie Bilanzfälschung oder ein "nahezu undurchschaubares Lügengebäude" im Spiel sein, heißt es in einschlägigen Urteilen.

Nach einer am Sonntag bekannt gewordenen Schätzung der Schweizerischen Bankiersvereinigung haben ausländische Privatkunden bis zu 1400 Milliarden Euro in dem Alpenland gebunkert.

Der Wert in der offiziellen Statistik ist nur halb so hoch. Grund der Diskrepanz: Die Bankiersvereinigung rechnet auch Gelder ein, die Ausländer via Tarnfirmen oder etwa Stiftungen halten. Bis zu 80 Prozent sei es unversteuertes Geld, schätzt das Magazin Bilanz.

Die Schweiz hat an den Fluchtgeldern gut verdient. Ein Prozent des Vermögens, also bis zu 14 Milliarden Euro, so die Schätzungen, bleibt in Form von Gebühren oder Provisionen jedes Jahr bei den Banken hängen. Das entspricht knapp drei Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts oder 1800 Euro pro Kopf der Bevölkerung. Vor drei Tagen noch befürchteten die Schweizer den Verlust von 10.000 bis 20.000 Arbeitsplätzen, wenn das Bankgeheimnis in seiner bisherigen Form fällt.

Wohin soll das Geld fließen?

Inzwischen sehen die Eidgenossen die Entwicklung wieder lockerer: Wohin sollte das Geld fließen? All die anderen wichtigen Steueroasen, am Wochenende selbst noch Monaco, haben schließlich das gleiche Zugeständnis gemacht wie die Schweiz.

"Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zur Doppelbesteuerung gilt künftig überall", formuliert es der Sprecher des Luxemburger Budget-Ministers schnörkellos. Danach muss ein Staat Amtshilfe leisten, wenn ein anderer einen begründeten Einzelfall von Steuerflucht vorbringt.

Belgien geht sogar noch einen Schritt weiter und stellt auf den automatischen Informationsaustausch bei Zinseinkünften um, wie ihn die meisten EU-Länder untereinander bereits praktizieren.

Sicher können sich Steuerhinterzieher alten Stils künftig selbst nicht mehr mit anonymen Stiftungen fühlen, wie sie in Gibraltar oder Panama noch zulässig sind: Das Vermögen dieser Stiftung muss irgendwo liegen, und die Banken sind wegen der Geldwäsche-Gesetze verpflichtet, auch bei Konten solcher Tarnorganisationen den sogenannten Letztbegünstigten zu kennen.

Jetzt tüfteln die Banken-Juristen an Modellen, wie sich steuerpflichtige Vermögenserträge in - zumindest zeitweise - legal steuerfreie Wertzuwächse umwandeln lassen. Bislang hatten die Banken daran wenig Interesse: Steuerhinterzieher mucken nicht auf, wenn saftige Gebührenrechnungen kamen oder sich der Anlagetipp als Flop erweist.

© SZ vom 16.3.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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