Aufwärtstrend am Aktienmarkt:Dax streift 6000 Punkte

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Der niedrige Ölpreis und Übernahmephantasien treiben die Kurse in die Höhe - der Dow Jones nähert sich sogar einem Rekordhoch.

Simone Gröneweg und Simone Boehringer

Gegen elf Uhr war es so weit: Der Dax überwand zum zweiten Mal in diesem Jahr nach Anfang April die Marke von 6000 und notierte kurzzeitig bei 6000,59 Zählern, rutschte im Verlauf aber wieder auf 5992 Punkte ab.

Zum zweiten Mal in diesem Jahr erreichte der Dax die 6000-Punkte-Marke. (Foto: Foto: Reuters)

Während im Frühjahr nach einer lang anhaltenden Hausse allerdings schon von vielen Marktbeobachtern eine Rally Richtung 7000 Zähler prognostiziert wurde, sind die Töne nun etwas moderater. "Wir sind verhalten optimistisch", sagt Harald Jörg, Analyst bei der Dresdner Bank.

Mehrwertsteuer-Erhöhung als Dämpfer

Die Entwicklung der Wirtschaft sei stabil, die Mehrwertsteuer-Erhöhung im nächsten Jahr könne den Aufwärtstrend aber noch einmal dämpfen. "Wir schätzen, dass der Dax Ende 2006 bei 6200 Punkten notiert."

"Die Stimmung am Markt ist gut, es gibt aber auch einige Unsicherheiten wie etwa die Unternehmenserträge", sagt Werner Bader, Anlagestratege bei der Landesbank Baden-Württemberg. Generell werde es aber bis Ende des Jahres aufwärts gehen, prognostiziert der Experte. "Es gab in den vergangenen Wochen Kurszuwächse, aber niedrige Umsätze", betont er.

Viele werden bald wieder einsteigen

Das spreche dafür, dass viele Investoren sich noch zurückgehalten hätten. "Viele haben im Mai und Juni Anteile verkauft. Die werden sicher bald wieder einsteigen, wenn die Stimmung so gut bleibt", meint er.

Eine Marktbefragung der amerikanischen Investmentbank Merrill Lynch unter Fondsmanagern deutet sogar darauf hin, dass die Investitionsbereitschaft am Aktienmarkt bereits gestiegen ist. So ist die Kassenquote, also der Anteil des Gelds, das meist aus Vorsicht oder Unsicherheit zurückgehalten wird, zuletzt von 4,4 auf 4,0 Prozent gesunken.

"Die Fusionsphantasien gingen fast quer durch alle Branchen"

Die Analysten sind sich einig: Die deutschen Aktienkurse haben jüngst nicht nur von der positiven Wirtschaftsentwicklung profitiert, auch Übernahmephantasien sorgten für Auftrieb. "Die Fusionsphantasien gingen fast quer durch alle Branchen", sagt Bader. Vor allem aber wurde in der Pharmabranche, bei den Stahlkonzernen, den Finanztiteln und Versorgern viel spekuliert.

Positive Impulse gab es auch vom Ölmarkt. So wurden am Mittwoch etwa 61 Dollar je Barrel der Marke West Texas Intermediate, WTI, bezahlt und damit fast 13 Prozent weniger als vor einem Monat. Belastend könnte sich aber die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) auswirken.

EZB-Beobachter halten es inzwischen für möglich, dass der Zinsanhebungszyklus länger als zunächst erwartet dauern wird und die EZB den Leitzins bis auf mindestens 4,0 statt auf die bislang erwarteten 3,5 Prozent anhebt. Größere Bedeutung an den internationalen Finanzmärkten habe aber die amerikanische Notenbank, glaubt Bader. "Und viele vermuten, dass in den USA der Zinserhöhungszyklus beendet ist."

(Foto: N/A)

Von seinem Rekordhoch bei 8064,97 zum Handelsende am 7. März 2000 ist der deutsche Leitindex jedoch noch ein gewaltiges Stück entfernt - ganz im Unterschied zum amerikanischen Dow Jones. Der lag am Mittwoch nur etwa 20 Punkte unter seinem Rekordschluss von 11 722,98 Zählern am 14. Januar 2000.

Die Kursübertreibung war in Europa höher als in Amerika

"Die Kursübertreibung in den Monaten vor dem Hoch war prozentual in Europa und speziell Deutschland viel höher ausgefallen als in Amerika, daher durfte man sich über eine vergleichsweise harte Korrektur danach nicht wundern", begründet Carsten Klude, Chefvolkswirt der Privatbank M.M. Warburg, die unterschiedliche Entwicklung seitdem.

Das Gros der Analysten hält den Dow ohnehin nicht für repräsentativ für den US-Aktienmarkt, vor allem deshalb, weil die Gewichtung der Einzelaktien - entgegen den Regeln bei den meisten anderen international beachteten Indizes - im Dow vorwiegend nach dem Kurs der einzelnen Aktie bemessen wird und nicht etwa nach der gesamten Marktkapitalisierung, also dem Kurs mal der Anzahl aller notierten Aktien.

Große Unterschiede im Dow

So gibt es große Unterschiede im Dow. Der stärkste Wert, Exxon Mobil, hat eine Marktkapitalisierung von fast 400 Milliarden Dollar, der schwächste Titel, General Motors, kommt nur auf knapp 20 Milliarden Dollar. Der stärker von den Profis beachtete marktbreitere S&P 500 liegt mit 1336 Punkten derzeit noch deutlich unter seinem Rekordhoch bei 1527,46 Zählern vom 24. März 2000.

Die insgesamt eher gedämpften Wachstumsaussichten für die führende Volkswirtschaft der Welt spiegeln sich derzeit noch nicht stark auf die Gewinnprognosen für die einzelnen Unternehmen wider. "Nach lange zweistelligen Raten werden jetzt geringere, meist einstellige Wachstumsquoten vorausgesagt", sagt Experte Klude.

Die Kursphantasie bleibt erhalten

Eine ähnliche Unsicherheit gibt es auch an den deutschen Märkten. Der Stimmung schadet das derzeit aber nicht sonderlich. "Die Kursphantasie bleibt so lange erhalten, wie alte Rekordstände noch nicht eingestellt sind", meint etwa Joachim Goldberg von der Analysegesellschaft Cognitrend.

Auch Faktoren wie etwa die wachsende Terrorangst im Zuge neuer, meist vereitelter Anschläge, haben bislang nach Ansicht von Marktbeobachtern kein Stimmungstief verursacht. "Terror wird inzwischen von den Anlegern mit abnehmender Sensitivität beobachtet", sagt Goldberg.

© SZ vom 28.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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