Aufstand der Aktionäre:"Nicht nur Stimmvieh sein"

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Daniela Bergdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz wünscht sich kritischere Aktionäre - die nachfragen, und nicht bloß wegen des Buffets zur Hauptversammlung kommen.

Interview: Thomas Fromm

Die Münchener Rechtsanwältin Daniela Bergdolt vertritt die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Bayern und hat schon viele Hauptversammlungen selbst miterlebt. Immer wieder vertritt sie Anleger bei Klagen gegen Aktiengesellschaften.

"Aktionäre sind heute aktiver als früher" - Daniela Bergdolt fordert dennoch eine regere Beteiligung auf Hauptversammlungen. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Frau Bergdolt, es beginnt die Zeit der großen Hauptversammlungen. Warum soll ich als Aktionär hingehen?

Daniela Bergdolt: Die Hauptversammlung ist der einzige Tag im Jahr, an dem Aktionäre ihre Stimme erheben und ihre Meinung sagen können. Wann sonst können Sie den Herrschaften aus den Unternehmen persönlich begegnen und sich einen direkten Eindruck von ihnen machen?

SZ: Aber so viel bekommt man von Konzernmanagern bei HVs doch auch nicht mit. Meistens sind sie äußerst telegen geschminkt und lesen Texte vor, die andere für sie vorbereitet haben.

Bergdolt: Gut, aber Sie können Fragen stellen und schauen, wie derjenige darauf reagiert. Wie benimmt der Vorstand sich bei den Antworten? Ich finde, da bekommt man als Aktionär schon ein gutes Gefühl für die Manager eines Konzerns. SZ: Es geht für die Aktionäre ja auch um ihr Geld - nämlich die Dividende.

Bergdolt: Zu Zeiten der New Economy, als die Aktienkurse um Hunderte von Prozentpunkten nach oben kletterten, interessierte sich logischerweise niemand für mickrige Dividenden. Heute ist das anders. In Zeiten moderater Kurssteigerungen wird die Dividende wieder ein wichtiges Thema.

SZ: Und wenn ich der Meinung bin, dass mir der Konzern zu wenig Dividende zahlen will?

Bergdolt: Dann kann ich gegen den vom Unternehmen auf die Tagesordnung gesetzten Vorschlag zur Gewinnverwendung stimmen.

SZ: Wie kann ich als Aktionär überhaupt eine Frage stellen?

Bergdolt: Sie müssen sich in der Hauptversammlung auf die Rednerliste setzen lassen. Jede Aktie hat eine Stimme; und wer mindestens eine Aktie besitzt, darf auf eine Hauptversammlung gehen, Fragen stellen und entsprechend seiner Aktienzahl mitabstimmen.

SZ: Wenn sich jetzt alle auf die Rednerliste setzen lassen, geht die Hauptversammlung ja nie zu Ende.

Bergdolt: Eine Hauptversammlung kann bis zu 24 Uhr dauern, wenn sie für einen Tag lang einberufen wurde. Innerhalb dieser Zeit muss sie dann aber beendet werden. Wenn also ein Beschluss nach 24 Uhr gefällt wird - also an einem Tag, für den nicht mehr eingeladen wurde -, ist der nichtig. Das würde bedeuten, dass Sie die ganze Veranstaltung wiederholen müssen.

SZ: Worüber muss in jedem Fall abgestimmt werden?

Bergdolt: Über die Höhe der Dividende, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Bestellung der Wirtschaftsprüfer.

Lesen Sie weiter, wann man als Aktionär den Vorständen die Entlastung versagen sollte.

SZ: Werden die Aktionäre eigentlich ausreichend informiert, bevor sie über so wichtige und auch komplizierte Dinge wie die Bestellung von Wirtschaftsprüfern abstimmen?

Bergdolt: Das Thema Wirtschaftsprüfer ist schwierig. Aber ich finde, dass jeder Aktionär verpflichtet ist, sich Informationen einzuholen. Das ist nicht nur eine Bringschuld des Unternehmens, sondern auch die Pflicht eines jeden Aktionärs. Er muss sich im Vorfeld schlau machen.

SZ: Also nicht nur wegen des guten Mittagessens bei der HV vorbeischauen.

Bergdolt: Nein! Obwohl es immer noch HVs gibt, wo nur die wirklichen Profiinvestoren richtig gut vorbereitet sind, also die Vertreter von Fonds und Schutzvereinigungen. Bei den anderen geht es oft nur um Themen wie: "Warum schenken Sie nicht schon um 10 Uhr den Wein aus statt erst ab 12 Uhr Mittags?" oder "Warum ist die Verpflegung schon um 13 Uhr ausgegangen?".

SZ: Das sind mal Themen.

Bergdolt:(lacht) Das sind Probleme.

SZ: Wie viele Aktionäre gehen denn gut vorbereitet in eine HV?

Bergdolt: Grundsätzlich beobachte ich, dass Aktionäre heute aktiver sind als früher. Viele wollen nicht mehr nur Stimmvieh sein. Aber noch immer ist es so, dass sich der größte Teil nicht mit den inhaltlichen Themen einer HV beschäftigt.

SZ: Welche Gründe rechtfertigen die Nichtentlastung eines Vorstands?

Bergdolt: Da gibt es viele Gründe. Wenn etwa die Zahlen schlecht sind im Vergleich zu den Wettbewerbern. Nehmen Sie Escada: Die Luxusbranche brummt, alle machen dicke Gewinne - nur Escada ist in den roten Zahlen. Dann läuft da etwas falsch mit dem Management. Anderes Beispiel: Korruptionsvorwürfe wie bei Siemens. Oder schlechte Informationsarbeit des Vorstands wie bei der Hypo Real Estate.

SZ: Wieviel Stimmen braucht es, um einem Vorstand die Entlastung zu verweigern?

Bergdolt: Über die Hälfte der anwesenden Aktionäre müssen dagegen stimmen.

SZ: Mal ehrlich: Eine HV im Jahr ist doch ziemlich wenig, wenn man bedenkt, dass die Aktionäre die eigentlichen Eigentümer eines Konzerns sind.

Bergdolt: Einmal im Jahr ist ausreichend. Vorausgesetzt, man nutzt die Gelegenheit richtig.

© SZ vom 17.4.2008/jkf/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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