An diesem Wochenende:Tür auf und alle rein

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Vom Einfamilienhaus bis zur Bar: Die besten Bauten der Gegenwartsarchitektur können in Bayern besichtigt werden.

Von Oliver Herwig

Wenn sie nicht schon gäbe, man müsste sie erfinden: die Architektouren am 25. und 26. Juni. Seit zehn Jahren bilden die offenen Tage für Häuslebauer und öffentliche Hand die Richtschnur für gutes Bauen in Bayern.

In der Oberpfalz werden neue Maßstäbe gesetzt: Das Einfamilienhaus in Bad Abbach-Oberndorf ist das beste Beispiel dafür. (Foto: Foto: Bayerische Architektenkammer)

178 Objekte sind es heuer, dokumentiert in der blauen Broschüre der Architektenkammer: Aus- und Umbauten, Bars und Cafés, Einfamilienhäuser, Forschungszentren, Kirchen und Kapellen, Ladenbauten, Pavillons und Parkanlagen. Bayern baut auf breiter Basis. Und nicht nur der Freistaat. Bundesweit hat die Aktion für ein neues Verständnis von - und vor allem - für Gegenwartsarchitektur gesorgt.

Jedes Jahr berät eine Jury aus Architekten und Kritikern über die besten Bauten. Was herausragt oder weit unter dem Durchschnitt liegt, steht sofort - und oft einstimmig - fest.

Dann folgt die zweite, wesentlich schwierigere Runde. Wer überzeugt von den Wackelkandidaten? Und ist nicht Haus X genauso gut wie Haus Y? 178 haben es geschafft, ein Rekord. Vor einigen Jahren waren es gerade halb so viele Projekte.

Das hat zum einen damit zu tun, dass die Architektenkammer in die Tiefe des Raums blickt und zeigen will, dass Bayern nicht nur aus München und Oberbayern besteht, wo avancierte Architektur traditionell gute Karten hat, zum anderen damit, dass die Architektouren Sogwirkung entfalten. Was Österreich vor einer Generation gelang, flächendeckendes gutes Bauen, findet endlich auch in Bayern Nachahmer.

Da wurde die Oberpfalz zum zweiten Vorarlberg ausgerufen, denn in der so genannten Provinz tut sich was, besonders rund um Regensburg, Weiden und Neumarkt, wo anspruchsvolle Architektur längst nicht mehr als Fremdkörper in der Landschaft steht, sondern als selbstverständlicher, geschätzter Teil der gebauten Umwelt.

Ein Wandel vor allem in den Köpfen. Heute setzt die Steinpfalz Maßstäbe und zeigt frische, unverbrauchte Ideen. Wie im terrassenförmigen Haus G. in Bad Abbach-Oberndorf. Über Stufen wächst der Betonkubus parallel zum Hang und löst sich in eine Glaswand auf, die wie ein riesiges Schaufenster über das Donautal blicken lässt.

In solchen Projekten entfaltet sich die große Stärke der Architektouren, die ins Land ausstrahlen und mit jedem Mal mehr Interesse auf sich ziehen. Das hat an der starken Stellung der Landeshauptstadt und des Südens nichts geändert. Auf Oberbayern und München entfallen 60 Prozent der Bauten - es waren früher freilich weit mehr.

Wer etwa das neue Betriebsgebäude in Würzburg-Heuchelhof sieht, den TÜV in Mehring oder den außergewöhnlichen Industriebau der phg GmbH in Augsburg-Lechhausen, kann aufatmen. Selbst für solch jahrelang vernachlässigte Bauaufgaben finden sich bestechende Lösungen.

Die Architektouren bilden das beste Marketinginstrument für gutes Bauen in Bayern. Wie eine riesige Freiluftausstellung spannt sich die Veranstaltung von Schwaben über Altbayern bis nach Franken. Wer zu den prämierten Baumeistern zählt, freut sich natürlich. "Die Fangemeinde dieser Leistungsschau bayerischer Architektur ist seit ihren Anfängen stetig gewachsen", freut sich Kammerpräsident Lutz Heese. Schließlich könne man nicht nur hinter die Fassaden blicken, sondern vor Ort "ins Gespräch kommen."

Im direkten Kontakt zwischen Architekten und ihren Auftraggebern mit Interessierten liegt offenbar das Geheimnis des Erfolgs. Öffentliche und private Bauherren zeigen stolz ihr Haus, auch wenn das am Wochenende viel Arbeit bedeutet. Dutzende von Freunden und Fremden durchs Heim führen, ist nicht jedermanns Sache. Aber neugierige Nachbarn und potenzielle Häuslebauer aus der Nachbarstadt danken es.

Ohne solche Bauherren wäre der An-, Um- oder Neubau schließlich nichts geworden, sie haben ihre Wünsche verwirklicht, und nicht nur die Architekten. Bauherren sind die besten Werbeträger für Architektenbauten, haben den besten Überblick über Kosten und Überraschungen während der Bauphase und berichten aus erster Hand. Hierin liegt der wichtigste Gewinn der Architektouren, ganz praktisch für ein hehres Ziel zu werben: für gelebte Baukultur.

Also Tür auf am letzen Juni-Wochenende 2005 und rein in Bayerns schönste Neubauten, in den Ausstellungspavillon Schöb in Winterrieden oder zum renovierten Messnerhof in Thaining. Oder zu den anderen 176 Häusern und Bauten.

Das Booklet mit allen Angaben zu den einzelnen Objekten, gibt es bei der Bayerischen Architektenkammer, Waisenhausstraße 4, 80637 München, Telefon 089 - 139880-39. Es liegt auch auf der Buga aus.

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